Hagener Spielhallen-Clan:
Verdachtskündigung gegen Landesbediensteten unwirksam!
Gegen die Betreiber einer Spielhallenkette aus Hagen ermittelt die Staatsanwaltschaft Hagen. Im Rahmen einer Groß-Razzia wurden im Monat September 2018 Luxus-Autos und mehrere Millionen Euro Bargeld beschlagnahmt. Der Familien-Clan soll Steuern in zweistelliger Millionenhöhe hinterzogen und zu diesem Zweck die Spielautomaten manipuliert haben. Ein Bediensteter des Landes NRW, wird aufgrund einer durchgeführten Telefonüberwachung verdächtigt, im Auftrage des Familien-Clans eine Software zur Manipulierung der Spielgeräte entwickelt zu haben.
Nachdem das Amtsgericht Hagen aufgrund dessen einen Durchsuchungsbeschluss erlassen hatte, wurde gegen den Landesbediensteten eine Verdachtskündigung ausgesprochen. Gegen diese Kündigung haben wir eine Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht Iserlohn erhoben, und zwar mit Erfolg! Mit Urteil vom 13.02.2019 wurde antragsgemäß festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung weder außerordentlich fristlos noch außerordentlich mit sozialer Auslauffrist aufgelöst worden ist. In den Entscheidungsgründen heißt es wörtlich: „… Die durch das beklagte Land ausgesprochene außerordentliche Kündigung vom 9. Oktober 2018 ist rechtsunwirksam und hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder als außerordentlich fristlose Kündigung noch mit sozialer Auslauffrist beendet. … Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses bilden.
Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektive Tatsachen geründete Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, dass für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unternommen. Insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss auf konkrete, von dem Kündigenden dazulegende und gegebenenfalls zu beweisende Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. … Eine Verdachtskündigung kann nicht allein auf Erkenntnisse oder Maßnahmen der Staatsanwaltschaft und/oder Entscheidungen des Ermittlungsrichters wie eine Anklageerhebung oder den Erlass eines Haftbefehles gestützt werden, selbst wenn sie auf der Annahme eines dringenden Tatverdachtes beruhen oder ihn voraussetzen. … Sie bilden als solche keine objektive Tatsache, die den dringenden Verdacht eines bestimmten strafbaren Verhaltens begründen könnte (BAG, 2. März 2017 – 2 AZR 698/15 – Rn. 23 mwN). …
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich entgegen der Ansicht des beklagten Landes aus der Telefonüberwachung und der Würdigung der Steuerfahnder nicht der dringende Verdacht, dass der Kläger durch … beauftragt war, eine Nachfolgesoftware … zum Zwecke der Manipulation von Daten der Geldspielgeräte zu fertigen bzw. seine Fachkenntnisse in deren Entwicklung einzubringen. … Aus den Äußerungen des Klägers im Telefongespräch vom … kann nicht der Schluss gezogen werden, es bestehe eine große Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger eine Manipulationssoftware entwickle bzw. an dieser mitarbeite. … Auch die durch das beklagte Land angeführte Würdigung der Steuerfahnder und die auf der Grundlage des Durchsuchungsbeschlusses vom 30. August 2018 durchgeführte Durchsuchung der Wohnung und des Arbeitsplatzes des Klägers begründen keine ausreichenden Verdachtsmomente. Unter Zugrundelegung oben genannter Grundsätze bildet die Einschätzung der Behörden allein keine objektive Tatsache, die den dringenden Verdacht eines bestimmten strafbaren Verhaltens begründen könnte.“
Arbeitsgericht Iserlohn, Urteil vom 13.02.2019 – 3 Ca 1976/18