Rechtsanwalt Torsten Sonneborn

Arbeitsrechtliche Konsequenzen von Alkoholkonsum und Alkoholismus

I. Einführung

Etwa 15 % aller Männer und rund 4 % aller Frauen sind in Deutschland alkoholgefährdet. Mehr als 4 Millionen Deutsche sind alkoholabhängig. Schätzungsweise 80000 Menschen werden jährlich ein- oder mehrmals in Kliniken entgiftet. Jährlich sterben ungefähr 40000 Menschen an den schädlichen Folgen des Alkohols. Mit Blick auf den stetig anwachsenden Alkoholkonsum von Jugendlichen („Flat-Rate-Saufen“) ist leider zu befürchten, dass sich diese Zahlen in den nächsten Jahrzehnten noch drastisch verschlimmern.

Neben den immensen individuellen Problemen, die übermäßiger Alkoholkonsum vor allem in gesundheitlicher und sozialer Hinsicht verursacht, ist der volkswirtschaftliche Schaden extrem hoch. Allein im Gesundheitswesen werden hierdurch Kosten in Milliardenhöhe produziert. Ein rückläufiger Trend ist nicht in Sicht.

Auch vor der Arbeitswelt macht dieses gesellschaftliche Problem keinen Halt. Die Statistiken sprechen insoweit eine alarmierende Sprache. Fast 25 % aller Arbeitsunfälle in Deutschland ereignen sich unter Alkoholeinfluss. Alkoholiker fallen durch häufigere Fehlzeiten und Krankmeldungen auf. Mehr als 10 % aller Beschäftigten trinken täglich am Arbeitsplatz Alkohol. Der Anteil der alkoholsüchtigen Mitarbeiter in deutschen Unternehmen beträgt durchschnittlich 5 %. Besonders gefährdet sind Menschen mit stressigen Berufen, also z.B. Außendienstler, Juristen, Werbefachleute, IT-Fachkräfte und Manager.

Da ausgiebiger Alkoholkonsum zwangsläufig zu einer Reduzierung der Arbeitsleistung führt, wundert es nicht, dass viele Arbeitgeber versuchen, dieses Problem mit den Instrumentarien des Arbeitsrechts in den Griff zu bekommen. In der arbeitsgerichtlichen Praxis nehmen daher Streitigkeiten, in denen Alkohol zumindest mittelbar eine Rolle spielt, stetig zu, und zwar unabhängig von der jeweiligen konjunkturellen Lage, welche für gewöhnlich das Arbeitspensum der Arbeitsgerichte bestimmt. Der folgende Beitrag befasst sich mit den juristischen Auswirkungen von Alkoholkonsum und Alkoholismus unter Berücksichtigung der neusten Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit. Der Schwerpunkt der Abhandlung liegt dabei im Bereich des Kündigungsrechts.

II. Definition „Alkoholismus“

Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen ist zum besseren Verständnis der nachstehenden Ausführungen eine relativ exakte Grenzziehung zwischen mehr oder weniger „normalem“ Alkoholkonsum und der eigentlichen Alkoholkrankheit (Alkoholismus) erforderlich. Wann spricht man von einer Alkoholabhängigkeit, wann von Alkoholmissbrauch? Was sind die wesentlichen Merkmale der Alkoholsucht? Wie definiert man Alkoholismus? Diese Fragen allgemeingültig zu beantworten, fällt selbst Experten schwer, denn die Vorstellung, dass es sich beim Alkoholismus um eine einheitlich verlaufende Krankheit handelt, hat sich nach neueren Erkenntnissen als falsch erwiesen.

Seit den 1960er Jahren ist Alkoholismus weltweit als Krankheit anerkannt.

Als Alkoholismus bezeichnet man die körperliche und / oder psychische Abhängigkeit von der psychotrop wirkenden Substanz Ethanol (C2H5OH). Es handelt sich um eine progressiv verlaufende Krankheit, bei der die Beschaffung und der anschließende Konsum von Alkohol im Laufe der Jahre mehr und mehr den Lebensinhalt bestimmt. Typische Symptome sind der Konsumzwang, zunehmender Kontrollverlust, Geringschätzung früherer Interessen, Entzugserscheinungen im Fall einer Reduktion des Alkoholkonsums, Verleugnen des eigenen Suchtverhaltens, Nachweis einer erhöhten Alkoholtoleranz sowie Persönlichkeitsveränderungen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definierte den Begriff „Alkoholismus“ im Jahre 1952 wie folgt:

„Alkoholiker sind exzessive Trinker, deren Abhängigkeit vom Alkohol einen solchen Grad erreicht, dass sie deutliche geistige Störungen oder Konflikte in ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit, ihrer mitmenschlichen Beziehungen, ihren sozialen und wirtschaftlichen Funktionen aufweisen; oder sie zeigen Vorstadien einer solchen Entwicklung.“

Nach der aktuellen Ausgabe der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (kurz: ICD-10) wird für die Feststellung der Alkoholabhängigkeit in der Regel ein Katalog von acht Kriterien herangezogen. Sind mindestens drei Kriterien erfüllt, so sprechen Mediziner von Alkoholismus:

  1. Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, Alkohol zu konsumieren,
  2. verminderte Kontrollfähigkeit,
  3. Alkoholkonsum mit dem Ziel, Entzugssymptome zu mildern,
  4. ein körperliches Entzugssyndrom,
  5. Nachweis einer Toleranz,
  6. ein eingeengtes Verhaltensmuster im Umgang mit Alkohol,
  7. fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen und Interessen,
  8. anhaltender Alkoholkonsum trotz Nachweis eindeutiger schädlicher Folgen.

Da eine nach diesem Schema getroffene Diagnose in medizinischer Hinsicht heutzutage als eindeutige Feststellung einer Alkoholerkrankung gilt, wird dieser Maßstab regelmäßig auch bei der arbeitsrechtlichen Beurteilung des Alkoholismus herangezogen.

III. Kein arbeitsrechtliches Alkoholverbot

Dass Alkohol am Arbeitsplatz nichts zu suchen hat, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, wenn man von seltenen Berufsbildern absieht, bei denen der Kontakt mit Alkohol vom Arbeitgeber sogar ausdrücklich gewünscht wird (z.B. Weinverkoster).

Manchen Leser wird es deshalb vielleicht wundern, dass es Seitens des Arbeitsrechts kein absolutes Alkoholverbot gibt. Insbesondere in den arbeitsrechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzesbuches (BGB), den §§ 611 ff. BGB, sucht man vergeblich nach einer Norm, die es Arbeitnehmern generell verbietet, während der Arbeit Alkohol zu konsumieren. Ohne ein betriebliches Alkoholverbot liegt deshalb ein Kündigungsgrund grundsätzlich nur dann vor, wenn der Alkoholgenuss die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers negativ beeinflusst oder eine spezifische Gefahrenquelle schafft. Mit anderen Worten: Solange er seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag ordnungsgemäß erfüllt, kann und darf ein Arbeitnehmer während der Arbeitszeit Alkohol trinken, soweit keinerlei betrieblichen Sondervereinbarungen bestehen. Der bloße Alkoholkonsum ohne Auswirkungen auf die vertraglich geschuldete Leistung kann nur dann kündigungsrechtlich relevant sein, wenn für bestimmte Tätigkeiten die Einhaltung von Grenzwerten der Blutalkoholkonzentration (BAK) zu beachten ist, etwa bei Kfz-Fahrern, Fahrradkurieren oder Flugkapitänen.

IV. Bloßer Alkoholkonsum

Im geltenden Kündigungsrecht ist vor allem nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zwingend zu danach unterscheiden, ob lediglich ein Fall des bloßen Alkoholkonsums vorliegt oder ob eine Alkoholerkrankung des Arbeitnehmers gegeben ist.

Beruht die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers wegen Alkoholisierung im Betrieb nicht auf einer Alkoholabhängigkeit (bloßer Alkoholkonsum), kommt nach erfolgloser Abmahnung regelmäßig eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht.

Hierbei können allerdings im Einzelfall gewisse Umstände zu Gunsten oder zu Lasten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein. Unter anderem kann die innerbetriebliche Stellung (etwa als Vorgesetzter), der Anlass (z.B. Rosenmontag) oder der Faktor, dass die dem Arbeitnehmer übertragene Tätigkeit mit besonderen Gefahren verbunden ist, von Bedeutung sein. Außerdem sind regionale („Mittagsbier“ in Bayern) und branchenspezifische Besonderheiten zu beachten. Zu würdigen ist auch die konkrete Handhabung in dem jeweiligen Betrieb. Wenn der Arbeitgeber etwa entgegen eines betrieblichen Alkoholverbotes den Konsum alkoholischer Getränke über einen längeren Zeitraum stillschweigend duldet, wird er eine verhaltensbedingte Kündigung wegen bloßen Alkoholkonsums – wenn überhaupt – nur dann aussprechen können, wenn er zuvor hinreichend deutlich gemacht hat, dass er Alkoholgenuss im Betrieb zukünftig nicht mehr dulden wird und wenn der Arbeitnehmer zuvor vergeblich abgemahnt wurde. Wenn es der Arbeitgeber trotz eines betrieblichen Alkoholverbots zulässt, dass in der Mittagspause in der Kantine alkoholische Getränke verkauft werden, so ist dies im Rahmen der Interessenabwägung ebenfalls zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (LAG Köln, Urteil vom 29.06.1987 – 9 Sa 222/87).

Besonderheiten gelten bei Berufskraftfahrern.

Der Entzug der Fahrerlaubnis kann bei Berufskraftfahrern oder sonstigen Arbeitnehmern, die im Rahmen ihrer Berufstätigkeit auf den Führerschein angewiesen sind (z.B. Außendienstler), zu einer ordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung berechtigen, ohne dass es hierzu einer vorherigen Abmahnung bedarf (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.01.2007 – 6 Sa 731/06).

In einem solchen Fall kann sich der betroffene Arbeitnehmer aber unter Umständen gegen eine Kündigung erfolgreich zur Wehr setzen, wenn als milderes Mittel in Betracht kommt, dass er zwischenzeitlich bis zur Wiedererlangung der Fahrerlaubnis oder dauerhaft auf einem anderen Arbeitsplatz beschäftigt wird.

Ein für die Durchführung von Gefahrguttransporten zuständiger Berufskraftfahrer muss im Übrigen stets beachtet, dass er überhaupt keinen Schluck Alkohol trinken darf, denn gemäß §§ 9 Absatz 11 Nr. 18, 10 Nr. 15 o) Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn (GGVSE) in Verbindung mit § 10 Absatz 1 Nr. 1, Absatz 4 Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBefG) gilt bei solchen Transporten eine bußgeldbewehrte Alkohol-Promillegrenze von 0,00 Promille. In diesem besonders gefahrträchtigen Arbeitsbereich kann schon die unbedachte Einnahme des alkoholhaltigen Medikaments Wick MediNait eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen (LAG Köln, Urteil vom 19.03.2008 – 7 Sa 1369/07).

Hierzu heißt es in den Entscheidungsgründen des Urteils wörtlich:

„Ungeachtet dessen erscheint es zur Überzeugung der Kammer keineswegs lediglich leicht fahrlässig, in dem Bewusstsein, einem absoluten Alkoholverbot zu unterliegen, einen Erkältungssaft zu sich zu nehmen, ohne sich zu vergewissern, welche möglichen Nebenwirkungen die Einnahme des Medikamentes haben kann. Dass viele Medikamente Nebenwirkungen haben, die die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr beeinflussen können, ist Allgemeingut. Schon ein durchschnittlicher Privatkraftfahrer muss diesen Gesichtspunkt bei seinem Verhalten bedenken. Von einem professionellen Kraftfahrer, der seit vielen Jahren berufsmäßig Gefahrguttransporte durchführt, ist ein erhöhtes Maß an Sorgfalt auch in dieser Hinsicht zu erwarten.“

Grundsätzlich gilt, dass bei allen Arbeitnehmern, die infolge eines Alkoholkonsums ganz spezifische Gefahren heraufbeschwören (z.B. Kranführer oder Baggerführer), ein besonders strenger Maßstab anzulegen ist. Im Falle eines U-Bahn-Zugführers, der außerhalb der Dienstzeit mit seinem privaten Fahrzeug in volltrunkenem Zustand einen Verkehrsunfall verursacht hat und dem die Fahrerlaubnis entzogen wurde, hat das BAG die ausgesprochene ordentliche Kündigung indes für unwirksam erachtet, da auch bei sog. Störungen im Vertrauensbereich eine Abmahnung erforderlich sei. Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn es sich um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers handelt und die Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden könne (BAG, Urteil vom 04.06.1997 – 2 AZR 526/96).

Bei besonders verantwortlichen Tätigkeiten, z.B. bei Überwachungsaufgaben im Flugbetrieb, ist dem Arbeitgeber auf der anderen Seite selbst eine nur auf zwei Monate begrenzte Weiterbeschäftigung unzumutbar, ohne dass es dabei auf eine konkrete Gefährdung und Wiederholungsgefahr ankommt (LAG Berlin, Urteil vom 29.11.1974, in: BB 1975, Seite 839).

IV. Alkoholismus

Nach einer Grundsatzentscheidung des BAG aus dem Jahre 1987 kommt eine Kündigung nur als eine krankheitsbedingte Kündigung in Betracht, wenn der Arbeitnehmer erwiesenermaßen alkoholkrank ist (BAG, Urteil vom 09.04.1987 – 2 AZR 210/86 – EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 18 = AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit). Da Alkoholismus auch nach Auffassung der Rechtsprechung eine Krankheit ist, kann der Arbeitgeber das mit dem Alkoholiker bestehende Arbeitsverhältnis nur ordentlich kündigen, wenn die strengen Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung erfüllt sind. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Zukunftsprognose zu. Entscheidend ist dabei die Frage, ob und inwieweit der kranke Arbeitnehmer die ernsthafte Bereitschaft erkennen lässt, sich einer Entziehungskur zu unterziehen, um so seine unheilbare Erkrankung im Sinne einer dauerhaften Abstinzenz besser bewältigen zu können.

Demzufolge ist eine ordentliche krankheitsbedingte Kündigung wegen Alkoholsucht nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich auch ein anderer vernünftig denkender Arbeitgeber unter Berücksichtigung erheblicher krankheitsbedingter Fehlzeiten wegen Alkoholismus auf Grund einer negativen Zukunftsprognose und einer Störung des Betriebsablaufs von dem Arbeitnehmer getrennt hätte (ArbG Frankfurt, Urteil vom 01.10.1999 – 7 Ca 3937/99).

Folgerichtig muss im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung eine negative Prognose im Zusammenhang mit der gesundheitlichen Entwicklung des alkoholkranken Arbeitnehmers bestehen. Dies bedarf vor allem der Feststellung, ob damit gerechnet werden muss, dass der alkoholkranke Arbeitnehmer einen Rückfall erleidet. Insoweit kann sich der Arbeitgeber nicht auf die allgemeinen Statistiken berufen, auch wenn diese besagen, dass innerhalb von vier Jahren zwischen 50 % und 80 % aller Patienten wieder rückfällig werden. Die Gerichte erwarten stattdessen eine auf die Person des Arbeitnehmers bezogene Einzelfallprognose.

Diese Prognose hängt unter anderem von der Dauer einer durchgeführten Therapie ab, da in medizinischer Hinsicht anerkannt ist, dass in Fällen des chronischen Alkoholismus im Zweifel nur eine Langzeittherapie Erfolg verspricht.

Dementsprechend hat das BAG eine dreiwöchige Entziehungskur für die Annahme einer positiven Gesundheitsprognose als nicht ausreichend angesehen. Zur Begründung wies das Gericht darauf hin, dass bei einer derart kurzen Therapiedauer von einer erheblich erhöhten Rückfallgefahr auszugehen sei.

Grundsätzlich folgt das BAG auch beim Thema „Alkohol“ seiner generellen Rechtsprechung zu Suchterkrankungen, wonach vergleichsweise geringe Anforderungen an eine negative Gesundheitsprognose zu stellen sind. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind in diesem Zusammenhang folgende Grundregeln zu beachten:

  • Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer vor dem Ausspruch einer Kündigung in der Regel die Möglichkeit zur Durchführung einer Entziehungskur zu gewähren.
  • Ist der alkoholkranke Arbeitnehmer nicht zu einer Therapie bereit, besteht eine negative Gesundheitsprognose. Von einer mangelnden Therapiebereitschaft ist im Zweifel schon dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer die ihm bekannte Alkoholerkrankung gegenüber dem Arbeitgeber im Rahmen von Fehlzeitengesprächen mehrfach verheimlicht hat (BAG, Urteil vom 17.06.1999 – 2 AZR 639/98).
  • Der Umstand, dass sich der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung nicht nach dem Gesundheitszustand – insbesondere nach einer gegebenenfalls bestehenden Alkoholerkrankung – des Arbeitnehmers erkundigt hat, führt für sich genommen noch nicht dazu, dass die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt und infolgedessen rechtsunwirksam ist (BAG, Urteil vom 25.11.1982 – 2 AZR 140/81).
  • Auch bei Kündigungen, die im Zusammenhang mit Alkohol stehen, gilt die von der Rechtsprechung aufgestellte Regel, dass krankheitsbedingte Fehlzeiten in der Vergangenheit die Gefahr künftiger Fehlzeiten indizieren können, wenn dem nicht die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung entgegenstehen (BAG, Urteil vom 23.06.1983 – 2 AZR 15/82). Die Indizwirkung der bisherigen
    Fehlzeiten kann der Arbeitnehmer dadurch erschüttern, dass er gegenüber dem Gericht unter Hinweis auf objektive Fakten erläutert, warum in seinem Fall trotz der aufgetretenen Fehlzeiten mit einer baldigen Genesung im Sinne einer stabilen Alkoholabstinenz zu rechnen gewesen sei (BAG, Urteil vom 06.09.1989 – 2 AZR 19/89). Die Anforderungen an einen solchen Sachvortrag des Arbeitnehmers sind wegen der bekannten Rückfallgefahr bei der Alkoholkrankheit relativ hoch (BAG, Urteil vom 17.06.1999 – 2 AZR 639/98). Der Arbeitnehmer hat die Behauptungen des Arbeitgebers zur negativen Gesundheitsprognose zu bestreiten und seine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Gleichzeitig muss er substanttiert vortragen, dass die Ärzte ihm gegenüber die künftige gesundheitliche Entwicklung als günstig beurteilt hätten.
  • Eine solche günstige Entwicklung bescheinigen Ärzte unter Bersücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls in der Regel dann, wenn der Alkoholkranke eine geeignete Therapie begonnen oder bereits abgeschlossen hat, weil dies zu einer deutlichen Verminderung der Rückfallgefahr führt.
  • Hatte sich der Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung bereits einer geeigneten Langzeittherapie unterzogen und ist er trotzdem wieder rückfällig geworden, so ist nach der bisherigen Rechtsprechung prinzipiell von einer negativen Gesundheitsprognose auszugehen.

Nach den neusten medizinischen Erkenntnissen gehört der Rückfall allerdings zur Alkoholkrankheit, denn viele Alkoholiker benötigen einen oder mehrere Rückfälle, bis sie endlich akzeptieren, dass sie mit dem Suchtmittel nicht kontrolliert umgehen können.

Noch vor einem Jahrzehnt gab es so gut wie keine seriösen Untersuchungsergebnisse über die Rückfälligkeit von alkoholsüchtigen Menschen. Die Rückfallforschung steckt auch heute noch in den Kinderschuhen. Inzwischen liegt allerdings eine Reihe von abgesicherten Ergebnissen zu Häufigkeit, Verlauf, Entstehungsbedingungen, Folgen und Maßnahmen zur Vorbeugung von Rückfällen vor. Diese Forschungsergebnisse sind von großer Bedeutung, weil Rückfälle dadurch in einem ganz neuen Licht erscheinen und unzeitgemäße Erkenntnisse über die Rückfälligkeit ins Schwanken geraten.

Das in der Psychiatrie bislang häufig angewandte V-Schema charakterisiert einen Idealverlauf, der in der Realität äußerst selten anzutreffen ist. Der Rückfall als Unterbrechung des Aufwärtstrends ist in dieser vereinfachten schematischen Darstellung leider nicht vorgesehen. Immer mehr Fachleute gehen deshalb heute so weit, die oberflächliche Verwendung des V-Schemas als schädlich anzusehen, da dadurch unrealistische Erwartungen hervorgerufen und Enttäuschung, Schuldgefühle und Resignation regelrecht vorprogrammiert werden. Das V-Schema führt nämlich dazu, dass der Patient seinen Rückfall als Rückschritt und damit als Versagen wahrnimmt.

Zwischen einem schweren Rückfall, einem Ausrutscher (sog. „Vorfall“), einem trockenen Rückfall und dem kontrollierten Trinken gibt es beträchtliche Unterschiede. Rückfallzeitpunkte und Rückfallverläufe können sehr variabel sein. Neuste Statistiken belegen, dass Rückfälle selbst nach intensiver stationärer Behandlung auf lange Sicht eher die Regel sind und nicht die Ausnahme bilden.

Oft genug hat ein Rückfall auch „heilsame“ Wirkungen, weil der Alkoholkranke erst infolge seines „Scheiterns“ erkennt, dass ihm ein kontrollierter Alkoholkonsum nicht möglich ist. Diese Erkenntnis ist oftmals der erste Schritt in eine dauerhafte und glückliche Abstinenz, so dass viele Experten inzwischen folgende These aufstellen:

Ohne Rückfall keine stabile Veränderung!

Diesem Umstand tragen inzwischen auch immer mehr Arbeitsgerichte Rechnung. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang das in jeder Hinsicht lesenswerte Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 17.08.2009 – 10 Sa 506/09, in dem es wörtlich heißt:

„… Auch aus dem so genannten Rückfall beim Kläger lässt sich keine zwingende negative Prognose für die weitere, nachteilige Entwicklung seiner chronischen Trunkenheit ableiten. Es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach ein Rückfall nach einer zunächst erfolgreichen Entwöhnungskur und längerer Abstinenz ein endgültiger Fehlschlag jeglicher Alkoholtherapie für die Zukunft bedeutet. Maßgebend ist stets die Beurteilung im Einzelfall (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 04.09.2001 – 11 Sa 1918/00). Statistiken belegen, dass innerhalb von vier Jahren nach jeder Alkoholismustherapie über 50% aller Patienten rückfällig werden (…). Zuzugeben ist der Beklagten, dass sie dem Kläger zunächst mit der Vereinbarung vom 17. Juli 2008 die von der Rechtsprechung verlangte Chance gegeben hat, trotz Alkoholkrankheit die Tätigkeit fortzusetzen. Zuzugeben ist der Beklagten weiter, dass es ein erheblicher Vertrauensmissbrauch ist, dass der Kläger unmittelbar nach Ablauf der „Bewährungszeit“ erneut Alkohol zu sich genommen hat. Dabei ist es unerheblich, ob der Kläger am 2. Oktober 2008 am Arbeitsplatz noch alkoholisiert war oder nicht. Allerdings übersieht die Beklagte, dass ein Zeitraum von drei Monaten bei einer Suchterkrankung wie dem Alkoholismus in aller Regel bei weitem nicht ausreichend ist, um hinreichend Abstand von der Sucht zu gewinnen. Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, ist die Alkoholerkrankung nicht mehr heilbar. Sie ist nur bei absoluter Abstinenz des Klägers zu bewältigen. Insoweit hat das Arbeitsgericht zutreffend die besonderen Gründe des Einzelfalles gewürdigt. Es hatte zutreffend das unauffällige Verhalten des Klägers in der Zeit vom 27. Juni 2006 bis 9. Juli 2008, die mit dem Kläger getroffene Vereinbarung vom 17. Juli 2008 und die tatsächliche Umsetzung dieser Vereinbarung durch den Kläger und die positive Entwicklung der Leberwerte des Klägers bis zum Kündigungstermin als Umstände einer eher positiven Prognose angesehen. Dass der Kläger am Anfang seiner Therapie noch einmal rückfällig geworden ist, ist zwar bedauerlich, stellt aber – noch – keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. …“

Es bleibt aus Arbeitnehmersicht zu hoffen, dass sich diese positive Rechtsprechungstendenz weiter fortsetzt.

Im Zusammenhang mit der Gesundheitsprognose wird oftmals verkannt, dass die soziale Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung nicht dadurch entfällt, dass die im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bestehende negative Prognose durch spätere Ereignisse in Frage gestellt wird (BAG, Urteil vom 17.06.1999 – 2 AZR 639/98).

Die ausgesprochene Kündigung wird beispielsweise nicht dadurch rechtsunwirksam, dass sich der alkoholkranke Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung, aber noch während des Laufs der Kündigungsfrist einer Alkoholtherapie unterzieht und dabei auf Erfolge verweisen kann. Entscheidend für die Wirksamkeit der Kündigung ist nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des BAG allein der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers zur Zeit des Kündigungsausspruchs. Es kommt demnach ausschließlich auf die objektiven Verhältnisse bei Zugang der Kündigung an (BAG, Urteil vom 17.06.1999 – 2 AZR 639/98).

Dies mag man ungerecht empfinden, weil dadurch die zwischenzeitlichen Therapiebemühungen des Arbeitnehmers keine rechtliche Würdigung erfahren, jedoch entspricht diese Rechtsprechung dem allgemein anerkannten Grundsatz, dass die Arbeitsgerichte die Wirksamkeit einer Kündigung grundsätzlich aus „ex ante“-Sicht zu beurteilen haben.

Besteht unter Beachtung der oben erläuterten Grundsätze im Einzelfall eine negative Gesundheitsprognose, so muss das Arbeitsgericht zur Bejahung einer wirksamen Kündigung in der nächste Prüfungsstufe eine erhebliche Störung des Betriebsablaufs festzustellen, z.B. in Form stattlicher Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall oder gravierender Arbeitsablaufstörungen. Die gerichtliche Praxis zeigt, dass den Arbeitgebern ein solcher Nachweis in den allermeisten Fällen gelingt.

Außergewöhnlich hohe Entgeltfortzahlungskosten beeinträchtigen den Arbeitgeber nämlich in der Regel erheblich, wenn durch sie das Austauschverhältnis auf unbestimmte Zeit gravierend gestört wird. Von einer solchen „Äquivalenzstörung“ ist auszugehen, wenn für die Zukunft mit immer neuen, außergewöhnlich hohen Entgeltfortzahlungskosten zu rechnen ist, die pro Jahr für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind (BAG, Urteil vom
29.07.1993 – 2 AZR 155/93 – AP Nr. 27 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit).

In der dritten und letzten Stufe hat das Arbeitsgericht eine sorgfältige Interessenabwägung vorzunehmen. Personenbedingte Kündigungen sind nämlich unbegründet, wenn die für jeden Einzelfall vorzunehmende Abwägung der für und gegen eine Entlassung sprechenden Umständen ergibt, dass kein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung gegeben ist. Demzufolge haben die Arbeitsgerichte den Kündigungssachverhalt unter genauer Berücksichtigung der widerstreitenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen zu bewerten. Hierbei kommt den Gerichten ein nicht unbeachtlicher Beurteilungsspielraum zu, womit ein weiterer Grund gegeben wäre, sich gegen eine „alkoholbedingte“ Kündigung mit anwaltlicher Hilfe zur Wehr zu setzen.

Verweigert der Arbeitnehmer allerdings die Entwöhnungsbehandlung oder ist die Prognose hinsichtlich der Alkoholabstinenz eher ungünstig, messen die Arbeitsgerichte meistens den betrieblichen Interessen des Arbeitgebers größeres Gewicht bei.

V. Beweislast

Im Arbeitsgerichtsprozess hat der Arbeitgeber den Beweis der Alkoholisierung zu führen. Will der Arbeitgeber feststellen, ob der Arbeitnehmer alkoholisiert sind, so ist dieser weder verpflichtet, an einer Atemalkohol-Messung mitzuwirken, noch kann er durch den Arbeitgeber zu einer Blutprobe gezwungen werden. Im gerichtlichen Kündigungsschutzverfahren ist der Arbeitgeber aus diesem Grunde regelmäßig auf Indizien (Alkoholfahne, schwankender Gang oder ähnliches) angewiesen.

Beruft sich der gekündigte Arbeitnehmer darauf, dass er an Alkoholismus leide, aber dennoch eine positive Gesundheitsprognose bestehe, so hat er die entgegenstehenden Indizien durch substantiierte Darlegungen zu entkräften und diesen Sachvortrag im Falle des Bestreitens durch den Arbeitgeber auch zu beweisen.

VI. Kündigungsschutzklage

Gemäß § 7 KSchG gilt eine Kündigung als von Anfang rechtswirksam, wenn der betroffene Arbeitnehmer nicht innerhalb einer Frist von drei Wochen (§ 4 Satz 1 KSchG) beim Arbeitsgericht eine Klage auf Feststellung erhebt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist (Kündigungsschutzklage).

Die Vermutung vieler Arbeitnehmer, dass ihnen nach jeder Kündigung automatisch ein Rechtsanspruch auf eine Abfindung zusteht, ist aus diesem Grund unzutreffend. Wer die Chance haben will, seinen Arbeitsplatz zu behalten oder wenigstens eine angemessene finanzielle Entschädigung zu kassieren, muss also unbedingt eine Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben.

Nach Erhebung der Kündigungsschutzklage bestätigt das Arbeitsgericht den Eingang der Klageschrift und übersendet den Prozessbeteiligten eine Ladung zum Gütetermin. Erhält der klagende Arbeitnehmer eine Ladung und ist sein persönliches Erscheinen angeordnet, so muss er den Termin gemeinsam mit seinem Prozessbevollmächtigten wahrnehmen, denn ansonsten droht ihm ein erhebliches Ordnungsgeld. In der Güteverhandlung ist das Gericht nach dem Gesetz verpflichtet, eine einvernehmliche Einigung zwischen den Parteien herbeizuführen. Dies bedeutet, dass im Anschluss an die Güteverhandlung kein Urteil ergehen kann. In der Regel wird das Gericht versuchen, einen vernünftigen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten, der den Interessen beider Prozessparteien gerecht wird.

In Fällen, in denen dem Arbeitnehmer wegen Alkoholkonsums oder einer Alkoholerkrankung gekündigt wurde, greifen viele Arbeitsgerichte auf sog. „Suchtkrankenvergleiche“ zurück, die unterschiedlich ausgestaltet sein können.

Zum Teil schlagen die Arbeitsrichter vor, dass der Arbeitnehmer nach Beendigung einer geeigneten Therapiemaßnahme zunächst wieder befristet – quasi „auf Probe“ – eingestellt wird und sich das auf diese Weise (neu) begründete Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit – gegebenenfalls unter Anrechnung der früheren Beschäftigungszeiten – verlängert, wenn es innerhalb der „Probezeit“ nicht zu Rückfällen kommt. Wenn der Arbeitnehmer ernsthaft daran interessiert ist, in Zukunft ein dauerhaft abstinentes Leben ohne Alkohol zu führen, kann ein solcher Prozessvergleich durchaus eine interessengerechte Lösung darstellen. Das Für und Wider eines solchen Vergleiches sollte jedoch mit einem erfahrenen Rechtsanwalt ausgiebig erörtert werden.

VIII. Betriebliche Suchtprävention

In einer Broschüre der Vereinigung der Metall- und Berufsgenossenschaften (VMBG) wird das Erfordernis einer wirksamen betrieblichen Suchtprävention mit folgenden Worten ebenso kurz wie treffend beschrieben: „Jede Sucht eines Mitarbeiters kostet Geld. … Umso größer ist heute die Bedeutung der betrieblichen Suchtprävention, und die hat etwas mit der Unternehmenskultur zu tun.“ Eine erfolgreiche betriebliche Suchtprävention hat eine ganze Fülle von positiven Effekten:

  • Erhöhung der Produktivität und der Produktqualität,
  • Rückgang des Krankenstandes (deutlich geringere Fehlzeiten),
  • Verbesserung der Arbeitssicherheit (weniger Arbeitsunfälle),
  • Einsparung von Rekrutierungs- und Einarbeitungskosten (z.B. bei Zeitarbeitern),
  • Verbesserung der Unternehmenskultur und damit auch des Firmenimages,
  • Steigerung der Führungsqualifikationen und der sozialen Handlungskompetenzen,
  • frühzeitige Intervention bei auffälligen Arbeitnehmern,
  • bessere Gesundheitsprognosen durch die Vermittlung adäquater Hilfsangebote,
  • Verbesserung des Betriebsklimas.

In juristischer Hinsicht ist es sinnvoll, dass der Arbeitgeber und die Arbeitnehmervertretung (Betriebs- oder Personalrat) zum Zwecke der betrieblichen Suchtprävention eine Betriebsvereinbarung zum Thema Alkohol bzw. der allgemeinen Suchtbekämpfung treffen. Der Zweck solcher Betriebsvereinbarungen ist vor allem, den im Betrieb mit Suchtproblemen konfrontierten Personen Handlungsorientierungen zu bieten und den rechtlichen Rahmen sowie die praktischen Möglichkeiten betrieblicher Suchtkrankenhilfe verbindlich festzulegen. Ohne eine derartige Betriebsvereinbarung lässt sich erfahrungsgemäß eine nachhaltige Veränderung der innerbetrieblichen Trinksitten nur schwer erreichen. Eine verbindliche Betriebsvereinbarung hat überdies den Vorteil, dass sie für alle Beteiligten eine klare und unmissverständliche Rechtssituation schafft.

Folgende Regelungen sollten in einer Betriebsvereinbarung unbedingt enthalten sein:

  • Geltungsbereich,
  • Zielsetzung,
  • Striktes Alkohol- und Suchtmittelverbot,
  • Festlegung von Sofortmaßnahmen gegen berauschte Mitarbeiter,
  • Vorbeugende Maßnahmen (z.B. Schulung der Vorgesetzen),
  • Maßnahmen zur Beseitigung von suchtfördernden Arbeitsbedingungen,
  • Maßnahmen und Hilfestellungen für Beschäftigte mit Suchtproblemen,
  • Wiedereingliederung unter Berücksichtigung von Rückfallwahrscheinlichkeiten,
  • Bildung eines betrieblichen Arbeitskreises „Suchtbekämpfung“,
  • Einsetzung von Suchtbeauftragten und betrieblichen Suchtkrankenhelfern.

Bei der Abfassung einer Betriebsvereinbarung empfiehlt es sich, Rechtsanwälte und Suchtexperten hinzuzuziehen. Insbesondere die Betriebs- und Personalräte sollte sich gehalten sehen, eine vom Arbeitgeber vorgeschlagene Betriebsvereinbarung zu diesem Thema genau zu prüfen, denn manchen Arbeitgebern geht es nicht in erster Linie um eine wirkungsvolle Suchtprävention, sondern darum, vereinfachte Möglichkeiten zu schaffen, einen suchtkranken Mitarbeiter im Wege der Kündigung loszuwerden.

Ein weiteres Element der innerbetrieblichen Suchtprävention ist die Schaffung eigener Suchtberatungsstellen. Diese wichtige Funktion übernehmen gerade in größeren Unternehmen die betrieblichen Suchtkrankenhelfer. Betriebliche Suchtkrankenhelfer handeln zwar im Auftrag des Arbeitgebers, sind aber grundsätzlich nicht weisungsgebunden. Die Suchtkrankenhelfer vereinbaren mit dem Arbeitgeber den Aufbau einer sog. „Interventionskette“ und vermitteln passende externe Beratungsstellen.

Jeder Arbeitnehmer kann sich zum betrieblichen Suchtkrankenhelfer ausbilden zu lassen. In der Ausbildung erfährt der angehende Suchtkrankenhelfer alles Wissenswerte über die strukturellen und juristischen Grundvoraussetzungen und erhält eine gründliche Schulung in wesentlichen Formen der Gesprächsführung. Auch das Kennenlernen der Behandlungskette von der Entgiftungsstation über Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen bis hin zu einer stationären (Langzeit-) Therapie in Fachkliniken gehört zum Ausbildungsprogramm.

Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es natürlich sinnvoll, die Stellung, Funktionen und Befugnisse der betrieblichen Suchtkrankenhelfer im Rahmen einer Betriebsvereinbarung klar und verbindlich zu verankern. Andernfalls besteht immer die latente Gefahr, dass von Seiten des Arbeitgebers versucht wird, die Suchtkrankenhelfer zu instrumentalisieren. Um etwa zu verhindern, dass ein Suchtkrankenhelfer im Kündigungsschutzverfahren gezwungen ist, gegen den gekündigten Arbeitskollegen als Zeuge auszusagen, sollte ein Satz in keiner Betriebsvereinbarung fehlen: „Alle Suchtkrankenhelfer unterliegen der Schweigepflicht.“

IX. Selbsthilfe

Spätestens dann, wenn der alkoholgefährdete oder alkoholkranke Arbeitnehmer aufgrund von alkoholspezifischen Auffälligkeiten vom Arbeitgeber erstmals ermahnt oder abgemahnt wurde, ist es an der Zeit, dass Problem „Alkohol“ zu erkennen, ernst zu nehmen und wirksam zu bekämpfen. Die wichtigste Motivationshilfe ist dabei folgender Erfahrungssatz:

„Menschen mit Alkoholproblemen kann geholfen werden!“

Alkoholismus ist weder eine angeboren Charaktereigenschaft noch ein Schicksalsschlag, der zwangsläufig hoffnungslos stimmen muss. So vielschichtig das Problem Alkoholismus auftritt sind auch die Perspektiven und Chancen für Alkoholiker einen dauerhaften Ausweg aus ihrer Sucht zu finden.

Alkoholabhängige, die sich nach der Klassifizierung von Prof. Dr. Jellinek in der dritten – „kritischen“ – Phase oder vierten – „chronischen“ – Phase der Erkrankung befinden, schaffen dies aber erfahrungsgemäß nicht mehr ohne fremde Hilfe.

In Deutschland gibt es für Menschen mit Alkoholproblemen und deren Angehörige zahlreiche Selbsthilfegruppen. Ein regelmäßiger Besuch erhöht die Chancen, nach einer Beendigung der eigentlichen Alkoholtherapie trocken zu bleiben. Selbsthilfegruppen sind kostenlos und können meist hohe Erfolgsquoten aufweisen.

Beim Blauen Kreuz, einer Organisation der evangelischen Kirche, ist die christliche Botschaft ein fester Bestandteil der Genesung. In die wöchentlich stattfindenden Zusammenkünfte werden häufig Gebete und kurze Andachten integriert. Das Blaue Kreuz bietet auch eine Beratung und Vermittlung für stationäre Therapien. An über 400 Standorten engagieren sich unter dem Dach des Blauen Kreuzes in über 1100 Gruppen und Vereinen ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiter, indem sie alkohol- und medikamentenabhängige Menschen bei der Bewältigung ihrer Suchtprobleme helfen. Dies geschieht auf der Grundlage eines christlichen Menschenbildes getreu dem Leitspruch „Befreit Leben lernen.“ Da der Verfasser von den Leistungen des Blauen Kreuzes persönlich besonders angetan ist, wird an dieser Stelle auf folgende Kontaktmöglichkeiten hingewiesen:

Blaues Kreuz in Deutschland e.V. (BKD)
Bundeszentrale
Schubertstraße 41
42289 Wuppertal

Telefon: +49 202 62003-0
Telefax: +49 202 62003-81

http://www.blaues-kreuz.de

Selbstverständlich gibt es eine ganze Reihe weiterer Selbsthilfeorganisationen, die ebenfalls wertvolle Arbeit leisten. Ein ausführliches Verzeichnis der wichtigsten Selbsthilfegruppen in Deutschland – sortiert nach Ortschaften – findet man im Internet unter folgender Adresse:

http://www.alkohol-hilfe.de/SHG/gruppen.htm

X. Fazit

„Alkoholbedingte“ Kündigungen werden die Arbeitsgerichte auch weiterhin in hohem Maße beschäftigen. Dieser Beitrag hat hoffentlich gezeigt, dass ein Arbeitnehmer den Erhalt einer solchen Kündigung nicht als unabwendbares Schicksal hinnehmen muss.

In den allermeisten Fällen lohnt sich die Erhebung einer Kündigungsschutzklage, weshalb sich ein betroffener Arbeitnehmer gleich nach Erhalt der Kündigung wenigstens anwaltlich beraten lassen sollte. Ist die 3-wöchige Klagefrist erst einmal abgelaufen, ist es hierzu in aller Regel zu spät.

Bei der Auswahl des Rechtsanwaltes sollte der gekündigte Arbeitnehmer Wert darauf legen, dass sich ein ausgewiesener Spezialist um die Durchsetzung seiner Rechte bemüht, der über das nötige Wissen und Verhandlungsgeschick verfügt, denn entgegen eines anders lautenden Gerüchts ist der Ausgang eines Prozesses nicht reine Glückssache, sondern regelmäßig das Ergebnis juristischen Könnens. Nach Möglichkeit sollte ein Fachanwalt für Arbeitsrecht ausgewählt werden, der sich erwiesenermaßen mit dem Thema (Alkohol-) Sucht nicht nur in juristischer Hinsicht bestens auskennt, sondern auch über die notwendigen medizinischen Grundkenntnisse verfügt.

XI. Zum Verfasser

Der Verfasser dieses Beitrages, Rechtsanwalt Torsten Sonneborn, ist Sozius der in Lüdenscheid ansässigen Rechtsanwaltskanzlei Löber & Sonneborn. Als Fachanwalt für Arbeitsrecht vertritt er Arbeitnehmer – auch überregional – vor den Arbeitsgerichten und hat dabei im Bereich des aktuellen Kündigungsrechts umfangreiche Erfahrungen gesammelt, die durch den regelmäßigen Besuch von Fortbildungsveranstaltungen beständig ausgebaut werden.

Rechtsanwalt Sonneborn hat sich dazu entschieden, im arbeitsrechtlichen Konfliktfeld eine eindeutige Stellung zu beziehen und vertritt daher – abgesehen von einigen ausgesuchten Arbeitgebern – generell nur Arbeitnehmer und Führungskräfte. Dies entspricht nicht nur seiner sozialpolitischen Überzeugung, sondern hat zudem den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass klare Fronten geschaffen und mögliche Argumentationswidersprüche vermieden werden. Im Gegensatz zu vielen anderen Fachanwälten für Arbeitsrecht kann es ihm also nicht passieren, dass er in ein und derselben Frage völlig unterschiedliche Rechtsstandpunkte verfechtet – je nachdem, ob er gerade einen Arbeitnehmer oder Arbeitgeber vertritt.

Ganz besondere Sachkenntnisse hat Rechtsanwalt Sonneborn im Zusammenhang mit dem Thema dieses Beitrages erworben. Aus diesem Grund vertritt er im gesamten Bundesgebiet alkoholgefährdete und alkoholabhängige Arbeitnehmer. Eine Kontaktaufnahme lohnt sich daher auch dann, wenn Sie nicht in der Nähe von Lüdenscheid arbeiten oder wohnen. Dank moderner Kommunikationsmittel ist die Rechtsanwaltskanzlei Löber & Sonneborn in der Lage bundesweit Mandate zu übernehmen. In einigen Fällen lässt sich die Beratung oder Rechtsvertretung sogar vollständig „online“ abwickeln. Probieren Sie es aus! Die erste Hürde haben Sie bereits genommen, indem Sie diesen Beitrag im Internet gefunden haben. Geringe Computerkenntnisse reichen schon aus, um mit Rechtsanwalt Sonneborn auf zeitgemäße Weise per Internet zu kommunizieren. In dringenden arbeitsrechtlichen Angelegenheiten ist Rechtsanwalt Sonneborn unter der Mobilfunknummer 0163/2142566 zu erreichen.

Rechtsanwalt Torsten Sonneborn