Rechtsanwalt Torsten Sonneborn
Krisenmanagement für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts – ein kurzes Merkblatt
I. Einführung
Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, oft auch BGB-Gesellschaft oder kurz „GbR“ genannt, ist der Zusammenschluss von mindestens zwei Gesellschaftern, die sich im Rahmen eines Gesellschaftsvertrages gegenseitig dazu verpflichtet haben, die Erreichung des gemeinsam definierten Gesellschaftszwecks in bestimmter Weise zu fördern.
Die gesetzlichen Grundlagen der GbR sind im Wesentlichen in den §§ 705 ff. BGB des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt. Geschäftsführungsbefugt sind nach dem Gesetz alle Gesellschafter gemeinsam, soweit im Gesellschaftsvertrag nicht etwas Abweichendes vereinbart ist. In der Rechtsprechung ist seit mehr als zwanzig Jahren anerkannt, dass die GbR im Außenverhältnis teilrechtsfähig ist, d.h. sie kann durch ihre Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründen, also auch Partei eines Prozesses oder Eigentümer eines Grundstückes sein (BGH, Urteil vom 29.01.2001 – II ZR 331/00).
Da die Errichtung einer GbR mit keinen Gründungskosten verbunden ist, erfreut sich diese Gesellschaftform gerade bei kleineren Unternehmen nach wie vor größter Beliebtheit. Die meisten Gesellschaften bestehen lediglich aus zwei oder drei Gesellschaftern. Infolge dieser „intimen“ Gesellschaftsstruktur kommt es in Krisenzeiten unter den Gesellschaftern oft zu persönlichen Auseinandersetzungen, die regelmäßig mit gegenseitigen Schuldzuweisungen beginnen und nicht selten mit der Auflösung der Gesellschaft enden.
Ziel dieses kurzen Merkblattes soll es sein, betroffenen Gesellschaftern juristische Wege aus der Krise aufzuzeigen. Neben der Sanierung der Gesellschaft unter Beibehaltung der bisherigen Gesellschaftsstruktur kommt der Verfasser dabei auch auf die Möglichkeit zu sprechen, dass einzelne Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheiden und der Gesellschaftszweck von den verbleibenden Gesellschaftern (gegebenenfalls mit einem neuen unternehmerischen Konzept) weiterverfolgt wird. Aber auch auf die mitunter nicht vermeidbare Beendigung der GbR in Form der Auflösung wird näher eingegangen.
I. Sanierung
Da die Aufrechterhaltung gestörter Beziehungen mitunter produktiver sein kann als deren Beendigung, sollten die Gesellschafter einer GbR die Sanierung des Unternehmens immer als erste Möglichkeit der Krisenbewältigung ins Auge fassen.
Zu diesem Zweck sollte zunächst im Hinblick auf jeden einzelnen Gesellschafter objektiv geprüft werden, ob dieser seinen Leistungspflichten in ausreichendem Maß nachgekommen ist, denn nicht selten ist die Notlage einer GbR auf eine Schlechterfüllung der Beitragspflicht durch einen oder mehrere Gesellschafter zurückzuführen.
Gemäß § 705 BGB haben die Gesellschafter „vereinbarte Beiträge“ zu leisten.
Beiträge heißen die nach dem Gesellschaftsvertrag zur Förderung des Gesellschaftszwecks zu bewirkenden Leistungen der Gesellschafter.
Die Beitragspflichten können individuell sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. So kann sich die Beitragspflicht bei dem einen Gesellschafter darauf beschränken, dass dieser regelmäßige Kapitalleistungen zu erbringen hat (z.B. durch monatliche Zahlungen auf das Geschäftskonto der Gesellschaft), während die übrigen Gesellschafter andere Pflichten zu erfüllen haben. Gemäß § 706 Absatz 3 BGB kann der Beitrag eines Gesellschafters auch in der Leistung von Diensten bestehen, also darin, dass er für die Gesellschaft bestimmte Arbeiten (Werk- oder Dienstleistungen) zu verrichten hat, ohne Arbeitnehmer zu sein.
Die Beitragspflichten der Gesellschafter können sich – gegebenenfalls auch abweichend vom Wortlaut des ursprünglich abgeschlossenen Gesellschaftsvertrages – im Laufe der Zeit durch ständige Übung konkretisieren, etwa in der Form, dass ein Gesellschafter für das gemeinsame Unternehmen ausschließlich Arbeitsleistungen erbringt, während andere Gesellschafter, die für die Erbringung von Diensten im Sinne des § 706 Absatz 3 BGB nicht die notwendige Zeit aufbringen können oder wollen, ihre Beitragspflicht regelmäßig nur noch durch Zahlungen oder die Erbringungen anderer geldwerter Leistungen erfüllen. Eine einseitige Änderung der auf diese Weise konkretisierten Beitragspflichten ist dann grundsätzlich nicht mehr möglich. Dies bedeutet, dass derjenige Gesellschafter, der bislang seine Beiträge immer nur in Form von Dienstleistungen erbracht hat, nicht plötzlich verpflichtet sein kann, anstelle der Dienstleistungen entsprechenden Geldleistungen zu erbringen, solange ihm die Erbringung der Dienstleistungen nicht unmöglich geworden ist.
Eine pflichtgemäße Erfüllung der jeweiligen Beitragspflichten führt in der Sanierungsphase naturgemäß nicht zu kurzfristigen Effekten, sondern kann allenfalls schrittweise zu einer Gesundung der Gesellschaft führen.
Bei bestehende Liquiditätsproblem stellt sich zwangsläufig die Frage, ob und inwieweit die einzelnen Gesellschafter einer Nachschusspflicht unterliegen. Eine solche Nachschusspflicht würde dazu führen, dass die Gesellschafter die laufenden Verluste der Gesellschaft dadurch auszugleichen haben, dass sie der GbR im Verhältnis ihrer Gesellschaftsanteile „frisches“ Eigenkapital zur Verfügung stellen.
Eine solche Verpflichtung besteht nach dem Gesetz nicht.
Grundsätzlich ist ein Gesellschafter weder zur Erhöhung seines Beitrages noch zum Nachschuss verpflichtet (§ 707 BGB). Das gilt selbst dann, wenn die Erreichung des Gesellschaftszwecks ohne Eigenkapitalleistungen im Sinne des § 726 BGB unmöglich wird. Da es sich bei der gesetzlichen Regelung in § 707 BGB um dispositives Recht handelt, kann aber im Gesellschaftsvertrag eine Nachschusspflicht wirksam vereinbart werden.
Soweit dies im Einzelfall nicht geschehen ist, kann eine Verpflichtung zum Nachschuss allenfalls durch einen entsprechenden Gesellschafterbeschuss herbeigeführt werden. Da ein solcher Beschluss den Kernbereich der Gesellschaft betrifft, bedarf es hierfür indes der Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter (Palandt, § 707 BGB Randnummer 3). Spricht sich einer der betroffenen Gesellschafter gegen die Vereinbarung einer Nachschusspflicht aus, kann er somit nicht gezwungen werden, zum Zwecke des Verlustausgleiches aus privaten Mitteln Geld in die Gesellschaft zu transferieren.
Neben den angesprochenen Sanierungsmaßnahmen (Optimierung im Bereich der Erfüllung von Beitragspflichten, Vermeidung von Liquiditätslücken durch Nachschüsse der einzelnen Gesellschafter) kommen naturgemäß noch eine ganze Reihe anderer Mittel in Betracht, um der Gesellschaft ans rettende Ufer zu verhelfen. Zu denken ist dabei insbesondere an eine Senkung der laufenden Kosten. Unter Umständen kann es Sinn machen, sich insoweit von einer Unternehmensberatung Hilfestellungen geben zu lassen.
II. Ausscheiden einzelner Gesellschafter
Soweit die in Frage kommenden Sanierungsmaßnahmen nicht den erhofften Erfolg gebracht haben und / oder eine Fortführung der GbR mit den bisherigen Gesellschaftern aufgrund von unüberwindbaren Zerwürfnisse eher unrealistisch erscheint, kann das Ausscheiden einzelner Gesellschafter durchaus ein probates Mittel der Krisenbewältigung darstellen, vor allem dann, wenn sich auf diesem Wege die Höhe der laufenden Privatentnahmen deutlich reduzieren lässt und die Ausgeschiedenen an der Erreichung des Gesellschaftszweckes ohnehin nicht maßgeblich beteiligt waren. Umgekehrt kann es sich naturgemäß als problematisch erweisen, einen Gesellschafter zum Ausscheiden zu bewegen, der – ohne bedeutende Privatentnahmen zu tätigen – als einziger Gesellschafter nicht gesondert zu vergütende Arbeitsleistungen im Sinne des § 706 Absatz 3 BGB erbracht hat, denn das Ausscheiden dieses Gesellschafters würde die Erreichbarkeit des Gesellschaftszwecks ernsthaft in Frage stellen.
Für die fortführenden Gesellschafter stellt es regelmäßig ein finanzielles Problem dar, dass der ausgeschiedene Gesellschafter nach § 738 BGB und den hierfür im Gesellschaftsvertrag aufgestellten Regeln abzufinden ist.
Die Höhe des Abfindungsguthabens ist durch die Erstellung einer Abschlichtungsbilanz zu ermitteln. Bei der Erstellung dieser Bilanz ist der Ausgeschiedene mitwirkungsberechtigt. Er kann im Einzelnen angeben, welche Ansätze er für unrichtig oder unsachgemäß hält. Ferner stehen dem Ausgeschiedenen weitgehende Kontroll- und Informationsrechte zu, die es ihm ermöglichen, eine detaillierte Einsicht in alle für die Ermittlung des Abfindungsguthabens maßgeblichen Buchhaltungsunterlagen zu verlangen. Wird dieser Informationsanspruch nicht freiwillig erfüllt, kann sich der Ausgeschiedene die erforderlichen Informationen durch die Erhebung einer Auskunftsklage verschaffen.
Soweit der ausgeschiedene Gesellschafter neben Geld und Sacheinlagen auch Dienst- oder Werkleistungen als Einlage erbracht hat, etwa weil er als einziger Gesellschafter für die Gesellschaft Arbeitsleistungen erbracht hat, ohne hierfür ein gesondertes Entgelt erhalten zu haben, kann unter gewissen Voraussetzungen die Verpflichtung bestehen, bei der Ermittlung des Abfindungsguthabens auch den tatsächlichen Wert dieser Dienst- der Werkleistungen in Ansatz zu bringen. In Ermangelung anderer Bewertungsgrundlagen ist dabei im Zweifel vom ortsüblichen Lohn eines entsprechenden Arbeitnehmers auszugehen.
Im Zusammenhang mit dem Ausscheiden einzelner Gesellschafter ist letztlich darauf hinzuweisen, dass diese Maßnahme – oft ungewollt – zur Auflösung der Gesellschaft führen kann:
Besteht die GbR nur aus zwei Personen, führt das Ausscheiden eines Gesellschafters zwangsläufig zur Auflösung der Gesellschaft, weil eine GbR – anders als eine GmbH – nicht nur aus einem Gesellschafter bestehen kann. Entsprechendes gilt bei einer GbR mit mehr als zwei Gesellschaftern, wenn alle Gesellschaftsanteile in einer Hand vereinigt werden.
Die Geschäfte der GbR können dann vom fortführungswilligen Gesellschafter nur durch die Gründung eines neuen Unternehmens (z.B. Einzelfirma im Sinne des HGB) weiterbetrieben werden. Dies erweist sich vor allem dann als misslich, wenn zur Fortführung der Geschäfte eine Betriebsimmobilie benötigt wird, deren (Mit-) Eigentümer einer der ausgeschiedenen Gesellschafter ist. Der Ausgeschiedene kann dann nämlich als Eigentümer des Grundstücks im Rahmen eines abzuschließenden Mietvertrages die Zahlung eines angemessenen Entgeltes für die Gebrauchsüberlassung verlangen.
III. Auflösung der Gesellschaft
Alternativ zu den oben unter I. und II. beschriebenen Maßnahmen kann es im Einzelfall auch sinnsvoll sein, die Gesellschaft aufzulösen, um auf diese Weise wenigstens dafür zu sorgen, dass sich nicht noch weitere Schulden anhäufen.
Die Beendigung der GbR kann von den Gesellschaftern auf unterschiedliche Weise herbeigeführt werden. Es kann ein Auflösungsbeschluss gefasst werden. Ebenso ist es möglich, den Gesellschaftsvertrag nach Maßgabe des § 723 BGB zu kündigen. Infolge der auf diese Weise herbeigeführten Auflösung der GbR haben sich Gesellschafter auseinanderzusetzen. Die Auseinandersetzung findet nach Maßgabe der §§ 732 bis 735 BGB statt. Dies bedeutet, dass den einzelnen Gesellschaftern zunächst diejenigen Gegenstände zurückzugeben sind, welche der GbR zur Benutzung überlassen wurden. Sodann sind die Gesellschaftsschulden zu berichtigen und aus dem übrig bleibenden Gesellschaftsvermögen die erbrachten Einlagen zu erstatten. Soweit zu erwarten ist, dass das Gesellschaftsvermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gesellschaftsschulden zu berichtigen, müssen die Gesellschafter einen Insolvenzantrag ernsthaft in Erwägung ziehen. Gemäß § 728 Absatz 2 BGB hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ebenfalls die Auflösung der GbR zur Folge.