Rechtsanwalt Torsten Sonneborn
Wirksamer Kündigungsschutz in Zeiten der Corona-Krise
(COVID-19-Pandemie)
1. Einführung
Das Coronavirus SARS-CoV-2 hat das öffentliche Leben in Deutschland bereits weitgehend lahmgelegt. Um COVID-19-Erkrankungen einzudämmen, werden fast täglich neue Maßnahmen ergriffen, die auch das Arbeitsleben betreffen. Am 17.03.2020 erklärte Wirtschaftsminister Peter Altmaier in einer ARD-Talkshow: „Wir haben so viele Reserven, dass wir versprechen können, dass wir alles tun, dass kein Arbeitsplatz und kein gesundes Unternehmen schließen muss und verloren geht.“ Experten erwarten dennoch eine ernste Wirtschaftskrise. Trotz der angebotenen Hilfen (Kurzarbeitergeld, zinsfreie Stundung von Steuerzahlungen etc.) werden insbesondere kleine und mittelständige Unternehmen die Krise voraussichtlich nicht ohne einen Stellenabbau überleben können. Zu rechnen ist deshalb mit zahlreichen Kündigungen, eventuell sogar mit Massenentlassungen wie zu Zeiten der globalen Finanzkrise 2008/2009.
Dieser Fachartikel wendet sich primär an Arbeitnehmer, die unlängst eine Kündigung erhalten haben oder eine solche Entlassungsentscheidung ihres Arbeitgebers in Kürze befürchten, um aufzuzeigen, wie man sich hiergegen erfolgversprechend zur Wehr setzt, entweder mit dem Ziel, den Arbeitsplatz zu behalten oder zumindest eine angemessene Abfindung zu erhalten.
Die Lektüre des Beitrags soll verdeutlichen, dass eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses auch während der Corona-Krise nicht als ein unabwendbarer Schlag des Schicksals hingenommen werden muss. Es lohnt sich fast immer, zu kämpfen. Wer diesen Kampf meidet, verliert seine Anstellung und in der Regel auch jeden Anspruch auf Zahlung einer Abfindung. Darauf zu vertrauen, dass die Krise nicht lange anhält und der Arbeitgeber im Anschluss daran freiwillig eine Wiedereinstellung anbietet, ist erfahrungsgemäß keine weitsichtige Entscheidung. Kluge Arbeitnehmer sollten dahingehenden Versprechungen der Arbeitgeber mit einer gesunden Skepsis begegnen.
2. Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
Im Vergleich zu sehr vielen anderen Ländern wird in der Bundesrepublik Deutschland der Kündigungsschutz großgeschrieben. Zu verdanken ist dies in erster Linie dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG), das aus dem Jahre 1951 stammt und damit schon fast siebzig Jahre Bestand hat. Selbst Pessimisten befürchten nicht, dass die Bestimmungen des KSchG aufgrund der beängstigenden Ausbreitung des Coronavirus gelockert oder gar aufgehoben werden.
Das Kündigungsschutzgesetz gilt für jeden Arbeitnehmer, der in einem Betrieb mit mehr als zehn Mitarbeitern beschäftigt ist und dessen Arbeitsverhältnis bereits länger als sechs Monate besteht. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, ist eine Kündigung nur dann wirksam, wenn sie sozial gerechtfertigt ist (§ 1 Absatz 1 KSchG). Gemäß der sich aus § 1 Absatz 2 KSchG ergebenden Systematik wird zwischen drei Kündigungsgründen differenziert:
- Gründe in der Person des Arbeitnehmers > personenbedingte Kündigung
- Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers > verhaltensbedingte Kündigung
- Dringende betriebliche Erfordernisse > betriebsbedingte Kündigung
Auf diese Kündigungsgründe wird nachfolgend im Einzelnen näher eingegangen, und zwar unter Berücksichtigung der Besonderheiten, die sich aus der Coronavirus-Pandemie COVID-19 theoretisch und auch praktisch ergeben können.
a) Personenbedingte Kündigung
Personenbedingte Kündigungen kommen vor allem bei krankheitsbedingt nachlassender Leistungsfähigkeit in Betracht. Man spricht in diesem Zusammenhang deshalb auch oft von krankheitsbedingten Kündigungen.
Eine Minderung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers in Folge einer Krankheit kann nur in extremen Ausnahmefällen den Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung bilden (BAG, Urteil vom 12.07.1995 – 2 AZR 762/94). Die Infektion eines Arbeitnehmers mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 reicht für die Annahme eines solchen Ausnahmefalls nicht aus. Auch der Ausbruch der neuartigen Lungenkrankheit COVID-19 genügt – unabhängig von der Schwere des Verlaufs – nicht, um den betroffenen Arbeitnehmer fristlos zu entlassen.
Dem Arbeitgeber ist demgemäß bei einer Erkrankung des Arbeitnehmers am Coronavirus auf jeden Fall zuzumuten, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten. Aber selbst die ordentliche personenbedingte Kündigung ist nur in sehr engen Grenzen möglich. Die Überprüfung einer krankheitsbedingten Kündigung erfolgt regelmäßig in drei Stufen (BAG, Urteil vom 13.05.2015 – 2 AZR 565/14). Zunächst einmal bedarf es einer sog. negativen Prognose hinsichtlich des weiteren Gesundheitszustandes des zu kündigenden Arbeitnehmers. Anschließend ist im Einzelnen zu prüfen, ob die prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. In der dritten und letzten Stufe wird sodann im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung einzelfallbezogen geprüft, ob erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen zu einer nicht mehr hinnehmbaren betrieblichen und wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen.
Bei der Lungenkrankheit COVID-19, welche durch das Coronavirus SARS-CoV-2 hervorgerufen wird, wird man in fast allen Fällen schon keine negative Gesundheitsprognose annehmen können. Auch wenn die Krankheitsverläufe unspezifisch sind und stark variieren, lässt sich zumindest feststellen, dass die Sterblichkeitsrate auf jeden Fall weit unter 5 % liegen dürfte. Die Überlebenden erholen sich in einem Zeitraum von etwa zwei bis sechs Wochen. Bei einer akuten Erkrankung an COVID-19 sprechen daher schon im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektive Umstände dafür, dass die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit sicher oder zumindest möglich ist. Dies spricht nahezu unwiderlegbar gegen die Annahme einer Negativprognose (vgl. dazu auch BAG, Urteil vom 21.02.2001 – 2 AZR 558/99). Anders könnten allenfalls Sonderfälle zu beurteilen sein, bei denen die Lungenerkrankung COVID-19 chronische Beschwerden verursacht, so dass mit einer Genesung innerhalb der nächsten zwei Jahre nicht gerechnet werden kann. Eine solche Prognose wird erst dann gerechtfertigt sein, wenn alle medizinisch-therapeutischen Bemühungen, die Gesundheit des Corona-Patienten wiederherzustellen, gescheitert sind. Arbeitgeber sind folglich verpflichtet, zunächst einmal den Behandlungsverlauf abzuwarten. Der Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung bereits wenige Wochen nach einer Ansteckung des Arbeitnehmers mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 scheidet damit aus.
Nach alledem geht der Verfasser dieses Beitrages aktuell davon aus, dass personenbedingte Kündigungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie keine große Rolle spielen werden. Gegen eine dennoch aus krankheitsbedingten Gründen erklärte Kündigung sollten betroffene Arbeitnehmer auf jeden Fall eine Kündigungsschutzklage erheben.
b) Verhaltensbedingte Kündigung
Bei schwerwiegendem Fehlverhalten im Job droht Arbeitnehmern eine verhaltensbedingte Kündigung. Was als verhaltensbedingter Kündigungsgrund zu verstehen ist, wird im KSchG nicht näher definiert. Zur Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung ist neben einer schuldhaften Arbeitsvertragsverletzung regelmäßig eine negative Fortführungsprognose, eine fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit und eine im Ergebnis für den Beendigungswunsch des Arbeitgebers sprechende Interessenabwägung notwendig.
aa) Pflichtverletzung
Zunächst ist demnach bei einer verhaltensbedingten Kündigung zu prüfen, ob der gekündigte Arbeitnehmer durch sein Verhalten gegen arbeitsvertragliche Haupt- oder Nebenpflichten verstoßen hat. Auszugehen ist dabei von der Prämisse, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, alles zu unterlassen, was die Funktionsfähigkeit des Betriebes und die notwendige betriebliche Ordnung gefährdet oder beeinträchtigt. Darüber hinaus ist der Arbeitnehmer auch gehalten, alles zu unterlassen, was geeignet sein könnte, den Vertragszweck nachhaltig zu gefährden, insbesondere das gegenseitige Vertrauen der Arbeitsvertragsparteien zu erschüttern. Das Bundesarbeitsgericht hat eine Systematisierung vorgenommen und unterscheidet dabei nach Störungen in den verschiedenen Bereichen des Arbeitsverhältnisses. Als Kündigungsgrund kommen hiernach namentlich in Frage alle Störungen im Leistungsbereich (Schlechtleistung), im Bereich der sog. betrieblichen Verbundenheit (z.B. Verletzungen des Betriebsfriedens), im persönlichen Vertrauensbereich (z.B. Verdacht strafbarer Handlungen) sowie im Bereich der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten.
Da es seit dem Inkrafttreten des KSchG keine vergleichbare Epidemie gegeben hat, existieren naturgemäß keinerlei Präzedenzfälle, anhand derer sich beurteilen lässt, welche schuldhaften Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der derzeitigen Corona-Krise kündigungsrelevant sein könnten. Dennoch möchte der Verfasser an dieser Stelle einen kurzen Überblick über Sachverhalte geben, die Arbeitgeber möglicherweise zum Ausspruch von verhaltensbedingten Kündigungen veranlassen könnten:
Arbeitsverweigerung
Als Arbeitsverweigerung bezeichnet man die rechtswidrige Ablehnung der geschuldeten Arbeit durch den Arbeitnehmer. Diese kann nach vorheriger Abmahnung eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung oder in schweren oder beharrlichen Fällen eine außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsnehmers rechtfertigen.
In Zeiten der Corona-Pandemie berechtigt die bloße Sorge, sich am Arbeitsplatz eventuell mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren zu können, den Arbeitnehmer nicht dazu, der Arbeit fernzubleiben bzw. eigenmächtig vom Home-Office aus zu arbeiten. Die Rechtswidrigkeit der Arbeitsverweigerung entfällt erst, wenn am Arbeitsplatz eine konkrete Ansteckungsgefahr besteht, etwa weil ein Arbeitskollege bereits an COVID-19 erkrankt ist und aufgrund eines milden Krankheitsverlaufes trotzdem unverändert zur Arbeit erscheint. Analog dazu dürfen Außendienstmitarbeiter Dienstreisen in internationale Risikogebiete (z.B. Italien, China) und besonders betroffene inländische Gebiete (Kreis Heinsberg) im Regelfall verweigern, ohne eine wirksame Kündigung ihres Arbeitsvertrages befürchten zu müssen.
Die einseitige Anordnung des Arbeitgebers, dass vorübergehend im Home-Office Telearbeit zu verrichten ist, begegnet rechtlichen Bedenken. Auch wenn mit einer solche Anordnung der Schutz der Gesundheit des Arbeitnehmers bezweckt wird, kann der Arbeitgeber eine solche Tätigkeit nicht aufgrund seines arbeitsvertraglichen Weisungsrechts (§ 106 GewO) einseitig zuweisen, denn der Arbeitgeber darf nicht in die geschützte Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 GG) des Arbeitnehmers hineinregieren bzw. diese teilweise zweckentfremden. Dazu heißt es in einer Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 14.11.2018 – 17 Sa 562/18, in: ArbRAktuell 2019, 47) wörtlich: „… Die Umstände der Arbeit im Home-Office unterscheiden sich in erheblicher Weise von einer Tätigkeit, die in einer Betriebsstätte zu verrichten sind: Der Arbeitnehmer verliert den unmittelbaren Kontakt zu seinen Kollegen und die Möglichkeit, sich mit ihnen auszutauschen, wird deutlich verringert. Die Grenzen von Arbeit und Freizeit werden fließend. Der Arbeitnehmer ist für die betriebliche Interessenvertretung und die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften schwerer erreichbar. Dass Arbeitnehmer z.B. zur besseren Vereinbarung von Familie und Beruf an einer Homeoffice-Regelung interessiert sein können, führt nicht zu einer diesbezüglichen Erweiterung des Weisungsrechts des Arbeitgebers. …“ Ohne eine (individuelle/betriebliche) Home-Office-Vereinbarungen wird es Arbeitgebern also auch angesichts der Corona-Epidemie nicht gelingen können, Arbeitnehmer zur Telearbeit zu zwingen. Diejenigen Arbeitnehmer, die eine solche Anordnung nicht befolgen, können mithin nicht ohne weiteres gekündigt werden. Will der Arbeitgeber unbedingt erreichen, dass seine Arbeitnehmer wegen der zunehmenden Verbreitung des Coronavirus zu Hause bleiben, so muss er diese nötigenfalls vorübergehend unter Fortzahlung der Arbeitsvergütung freistellen.
Inwieweit Arbeitnehmer mit Kindern berechtigt sind, der Arbeit fernzubleiben, weil aufgrund der aktuellen Krisensituation bislang bestehende Betreuungsmöglichkeiten weggefallen sind (geschlossene Kindergärten und Schulen), muss individuell entschieden werden. Zu prüfen ist grundsätzlich ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 275 Absatz 3 BGB. Diese Vorschrift besagt: „Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.“ Schuldner im Sinne der Norm ist der Arbeitnehmer. Fällt die Betreuungseinrichtung, z.B. der wegen der Corona-Krise geschlossene Kinderhort, unvorhergesehen aus, so muss sich der erwerbsfähige Elternteil zur Betreuung des Kindes auf § 275 Absatz 3 BGB berufen dürfen, sofern er nicht auf Dritte zurückgreifen kann. Zumutbar ist insbesondere der Rückgriff auf Verwandte. Im Verhältnis zum Arbeitgeber hat der Arbeitnehmer als Elternteil nämlich alle zumutbaren Maßnahmen zu treffen, damit er seine Arbeit ausüben kann. Hierzu gehört vor allem die Delegation von Betreuungsaufgaben im Rahmen verwandtschaftlicher Verhältnisse, soweit dies möglich erscheint. Eine Inanspruchnahme der Großeltern dürfte dabei jedoch im besonderen Kontext der Corona-Pandemie ausscheiden, da die Lungenkrankheit COVID-19 gerade bei älteren Menschen einen schweren Verlauf nehmen kann – bis hin zum Tod. Bei der älteren Bevölkerung muss davon befürchtet werden, dass bis 25 % der mit dem Coronavirus infizierten Betroffenen sterben werden. In Anbetracht dieser Umstände stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer – im Notfall – auch Freunde und Bekannte in die Betreuung des Kindes mit einbeziehen muss. Grundsätzlich wird man dies eher zu verneinen haben. Es besteht keine rechtlich fundierte Bindung, aus der man die Betreuung des Kindes durch den Freundeskreis herleiten könnte (vgl. Treichel: Das Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Absatz 3 BGB im Spannungsfeld von Beruf und Familie, in: NZA 2016, 459). Ein Arbeitnehmer, der trotz aller zumutbaren Anstrengungen keinen Ersatz für die weggefallene Betreuungsmöglichkeit findet, kann nach alledem im Zweifel nicht wegen Arbeitsverweigerung gekündigt werden.
Nichtvorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Arbeitnehmer sind gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) verpflichtet, ihrem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit als solche sowie deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Die wiederholte Nichtanzeige der Arbeitsunfähigkeit kann durchaus zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen. Auch eine Verletzung der Pflicht zur Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gemäß § 5 Absatz 1 Satz 2 EFZG ist – jedenfalls nach vorheriger Abmahnung – als kündigungsrelevantes Verhalten einzustufen. Unter besonderen Umständen ist sogar die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt (vgl. dazu BAG, Urteil vom 15.01.1986 – 7 AZR 128/83).
In diesem Zusammenhang ist wissenswert, dass Patienten mit leichten Erkrankungen der oberen Atemwege inzwischen bereits nach telefonischer Rücksprache mit ihrem Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt bekommen können, ohne persönlich untersucht zu werden. Ausgestellt werden können solche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Dauer von maximal 14 Tagen. Darauf haben sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband verständigt. Diese Sonderregelung war zunächst beschränkt auf Arbeitsunfähigkeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis maximal sieben Tage und galt anfangs auch nur für Patienten, die an leichten Erkrankungen der oberen Atemwege erkrankt sind und keine schwere Symptomatik vorweisen oder Kriterien des Robert-Koch-Instituts (RKI) für einen Verdacht auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 erfüllen. Mittlerweise gilt die Lockerung selbst dann, wenn der Verdacht auf eine Corona-Infektion besteht. Damit können Patienten im Verdachtsfall zu Hause bleiben und müssen nicht wegen der bloßen Attestierung einer Arbeitsunfähigkeit die Praxis ihres Hausarztes aufsuchen. Dadurch soll das Risiko für eine weitere Ausbreitung des gefährlichen Virus reduziert werden.
Solange diese vorübergehende Regelung Bestand hat, werden Arbeitnehmer die Nichtvorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung arbeitsrechtlich nicht damit rechtfertigen können, sie hätten aus Angst vor einer Ansteckung mit dem SARS-CoV-2-Virus und einer Erkrankung an COVID-19 den Weg in die Arztpraxis gescheut.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schon ab dem ersten Tag der Krankheit verlangen kann, ohne dafür einen Grund zu haben (vgl. BAG, Urteil vom 14.11.2012 – 5 AZR 886/11). Von daher sollte man die Bescheinigung gleich nach dem Telefongespräch mit dem Hausarzt abholen (lassen), weil der Versand mit der Post zwei Tage in Anspruch nehmen kann. Damit erst gar keine Konflikte entstehen, sollten sich betroffene Arbeitnehmer möglichst schnell mit ihrem Arbeitgeber in Verbindung setzen und abklären, wie die Krankmeldungen unter den derzeitigen Umständen gehandhabt werden. Die KBV hat bereits an die Arbeitgeber appelliert, ihren Arbeitnehmern in Zeiten der Corona-Krise zusätzliche Karenztage zu gewähren, für die keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt werden müssen.
Schmiergeldverbot
Im Bereich des öffentlichen Dienstes ist das Verbot, ohne Zustimmung des Arbeitgebers Belohnungen und Geschenke in Bezug auf die dienstliche Tätigkeit anzunehmen, ausdrücklich normiert. Aber auch in dem Bereich der Privatwirtschaft dürfen Arbeitnehmer für und bei Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten keine Schmiergelder annehmen. Ein Verstoß gegen das Schmiergeldverbot hat strafrechtliche Bedeutung und ist natürlich auch arbeitsrechtlich von Belang. Die Annahme von Schmiergeldern durch den Arbeitnehmer führt im Regelfall zum Ausspruch einer ordentlichen Kündigung. Je nach Fallgestaltung kommt sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung ohne eine vorausgehende Abmahnung in Betracht (vgl. hierzu etwa BAG, Urteil vom 21.06.2001 – 2 AZR 30/00).
Daher sollten sich die im Einzelhandel oder Apotheken beschäftigten Arbeitnehmer gerade in Zeiten der gegenwärtigen Corona-Krise hüten, für die Beschaffung von besonders gefragten Gütern (z.B. Desinfektions- und Reinigungsmittel) oder Medikamenten (Antiviralia) von den Kunden irgendwelche Gegenleistungen in Empfang zu nehmen. Ganz speziell gilt dies für die Beschäftigten im Gesundheitswesen, da die Bestechlichkeit dort seit dem Jahr 2016 besonders unter Strafe gestellt ist (§ 299 a StGB).
Nicht unter das Schmiergeldverbot fallen nur die im Rahmen des Geschäftsverkehrs üblichen geringfügige Geschenke (z.B. Werbegeschenke wie Kalender oder Kugelschreiber im Rahmen kaufmännischer Sitten). Zu beachten ist dabei, dass überall dort, wo derartige Geschenke bislang unüblich waren, nicht plötzlich neue Gepflogenheiten gelten, nur weil das Coronavirus SARS-CoV-2 für eine regelrechte Hysterie sorgt. Als Faustregel sollte man sich merken: Nur was vor der Corona-Krise erlaubt war, ist weiterhin erlaubt!
Selbstbeurlaubung
Tritt der Arbeitnehmer eigenmächtig einen vom Arbeitgeber nicht genehmigten Urlaub an, so verletzt er dadurch seine arbeitsvertraglichen Pflichten in ganz erheblichem Maße. Nach der Rechtsprechung kann ein solches Verhalten einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen (vgl. BAG, Urteil vom 20.01.1994 – 2 AZR 521/93). Entsprechendes gilt für die Fälle, in denen Arbeitnehmern den an sich genehmigten Erholungsurlaub eigenmächtig verlängern.
Die nicht auf konkreten Fakten basierende Furcht vor einer Ansteckung am Arbeitsplatz mit dem Coronavirus und einem späteren Ausbruch der gefährlichen Lungenkrankheit COVID-19 rechtfertigt noch keine Selbstbeurlaubung. Solange nicht am Arbeitsplatz eine ganz konkrete Ansteckungsgefahr besteht und damit entsprechend den Ausführungen auf Seite 5 dieses Beitrages ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers vorliegt, kann Urlaub auch in Zeiten der grassierenden Angst vor dem Coronavirus nur in Anspruch genommen werden, wenn eine Genehmigung des Arbeitgebers erfolgt. Andernfalls drohen ernste arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur verhaltensbedingten Kündigung.
Verstoß gegen Arbeitsschutz- und Sicherheitsvorschriften
Jeder Arbeitnehmer ist vertraglich zu einem mit den allgemeinen Arbeitsschutzvorschriften korrespondierenden Verhalten verpflichtet. Arbeitnehmer haben daher grundsätzlich alles zu unterlassen, was das Leben oder die Gesundheit von Arbeitskollegen gefährden kann. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung ist grundsätzlich geeignet, eine ordentliche Kündigung zu rechtfertigen (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 08.10.2008 – 6 Sa 158/08).
Daran anknüpfend stellt sich in Zeiten der Corona-Krise die Frage, ob Arbeitnehmer verpflichtet sind, den Arbeitgeber zum Schutz des Lebens und der Gesundheit ihrer Arbeitskollegen über eine Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 rechtzeitig zu informieren.
Prinzipiell sind Arbeitnehmer im Krankheitsfall lediglich dazu verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit als solche und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen, vgl. § 5 Absatz 1 Satz 1 EFZG. Der Grund der Erkrankung muss eigentlich nicht offenbart werden. Ausnahmsweise ist jedoch eine Mitteilung über die Art der Erkrankung erforderlich, wenn der Arbeitgeber hieran ein berechtigtes Interesse besitzt. Eine solche Ausnahme ist anerkannt für alle ansteckende Erkrankungen, die Schutzmaßnahmen des Arbeitgebers zugunsten Dritter (Arbeitskollegen, Kunden etc.) erfordern. Im Pandemiefall ist von einem solchen berechtigten Interesse des Arbeitgebers im Zweifel auszugehen (vgl. Kraft/Dohmen, Rechtliche Aspekte einer Pandemie in Deutschland, in: PharmR 2008, 401). In ganz akuten Verdachtsfällen können Arbeitnehmer sogar aufgefordert werden, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen (von Steinau-Steinrück/Mosch, Arbeitsrechtliche Maßnahmen bei ausgebrochener Pandemie, in: NJW-Spezial 2009, 578).
Daran anknüpfend lässt sich feststellen, dass diejenigen Arbeitnehmer, die wissentlich eine bekannte Corona-Infektion verschweigen und damit am Arbeitsplatz andere Menschen der Gefahr einer Ansteckung aussetzen, eine schwere Pflichtverletzung begehen, die im Einzelfall eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen kann. Dies gilt vor allem dann, wenn der betreffende Arbeitnehmer billigend in Kauf nimmt, durch sein Verhalten Personen mit einem höheren Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf zu gefährden (insbesondere ältere Menschen mit Grunderkrankungen wie z.B. Diabetes, COPD oder Krebs).
Umgekehrt kann der Arbeitgeber gehalten sein, die Belegschaft über bestehende Infektions- und Erkrankungsrisiken aufzuklären, und zwar insbesondere dann, wenn er Kenntnis von der COVID-19-Lungenerkrankung eines Mitarbeiters besitzt. Unterlässt der Arbeitgeber hingegen eine aus der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Absatz 2 BGB) und der besonderen Fürsorgepflicht (§ 618 BGB) herzuleitende Aufklärung, kann er sich schadensersatzpflichtig machen, wenn Mitarbeiter deswegen erkranken. In solchen Fällen besteht dann sogar eine Vermutung für die Kausalität zwischen der unterlassenen Aufklärung und der eingetretenen Gesundheitsverletzung. Lesenswert ist in diesem Zusammenhang die mit einer Hepatitis-C-Virus-Infektion ergangene Entscheidung des BAG vom 14.12.2006 – 8 AZR 628/05. Daraus folgt wiederum, dass ein Arbeitnehmer der Arbeit ungestraft fernbleiben darf, wenn ihm konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Arbeitgeber ansteckungsrelevante Corona-Infektionen im Beschäftigtenkreis bewusst verheimlicht.
Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit
Die bewusste Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit wegen Erkrankung ist eine schwere Pflichtverletzung des Arbeitsvertrages und an sich geeignet, eine außerordentliche fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen (LAG Hamm, Urteil vom 10.09.2003 – 18 Sa 721/03). Dies gilt nach Auffassung des BAG nicht nur dann, wenn sich der Arbeitnehmer für die Zeit einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung gewähren lässt und damit regelmäßig einen Betrug nach § 263 Absatz 1 StGB zulasten des Arbeitgebers begeht. Eine Kündigung kann auch gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit erst nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums vortäuscht.
Es ist nach objektiven medizinischen Kriterien zu beurteilen, ob der Arbeitnehmer tatsächlich aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig ist. Der diesbezügliche Nachweis obliegt stets dem Arbeitnehmer (BAG, Urteil vom 01.10.1997 – 5 AZR 726/96).
In der Regel führt der Arbeitnehmer diesen Nachweis gegenüber dem Arbeitgeber (wie auch vor dem Arbeitsgericht) durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist nämlich der gesetzlich vorgesehene Beweis für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Einer solchen Bescheinigung kommt ein hoher Beweiswert zu. Dies ergibt sich aus der Lebenserfahrung. Der Tatrichter kann normalerweise den Beweis, dass eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt, als erwiesen ansehen, wenn der Arbeitnehmer im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine solche Bescheinigung vorlegt.
Ob von einem hohen Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch auszugehen ist, wenn diese nur nach einem Telefongespräch mit dem bescheinigenden Arzt erstellt wurde (vgl. dazu die obigen Ausführungen auf Seite 7), bleibt abzuwarten. Solange dazu noch keine einschlägigen Entscheidungen vorliegen, sollte ein Arbeitgeber den Beweiswert eines solchen Attestes nur dann in Zweifel ziehen, wenn dieser durch besonderer Umstände des Einzelfalls erschüttert wird, etwa durch das Verhalten des Arbeitnehmers vor der Erkrankung und durch sein Verhalten während der bescheinigten Dauer der Arbeitsunfähigkeit.
Allein der Umstand, dass ein zunächst zur Arbeit erschienener Arbeitnehmer nach wenigen Stunden den Arbeitsplatz wieder verlässt, begründet noch keine ernsthaften Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit, da es nicht ungewöhnlich ist, dass eine Arbeitsunfähigkeit erst im Laufe des Tages eintritt (vgl. dazu LAG Köln, Urteil vom 12.01.2018 – 4 Sa 290/17). Gerade leichte Erkrankungssymptome im Bereich der oberen Atemwege, die kennzeichnend für den Beginn der Lungenkrankheit COVID-19 sind, können relativ plötzlich einsetzen.
Anders ist hingegen die Rechtslage zu beurteilen, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsstelle unmittelbar nach einem Konflikt mit dem Arbeitgeber verlässt und im Anschluss daran von verschiedenen Ärzten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beibringt. Der Beweiswert einer vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann auch erschüttert sein, wenn der nach eigener Aussage an Husten und Schnupfen laborierende Arbeitnehmer in den sozialen Medien damit prahlt, täglich an der frischen Luft sportliche Höchstleistungen zu erbringen (das bloße Einstellen von Urlaubsfotos bei Facebook reicht hingegen noch nicht; vgl. hierzu LAG Hamm, Urteil vom 13.03.2015 – 1 Sa 1534/14).
Wurde der Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung erschüttert, muss der Arbeitnehmer im Entgeltfortzahlungsverfahren (als Kläger) nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast den vollen Beweis für seine Arbeitsunfähigkeit erbringen. Zu diesem Zweck kann der Arbeitnehmer die Vernehmung des behandelnden Arztes als Zeuge beantragen. Dazu muss der Mediziner jedoch von der Schweigepflicht entbunden werden. Geschieht dies nicht, so hat das Arbeitsgericht seiner Entscheidungsfindung die tatsächlichen Behauptungen des Arbeitsgebers zugrunde zu legen (BAG, Urteil vom 21.03.2001 – 5 AZR 352/99). Will der Arbeitgeber anlässlich einer erschütterten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kündigen, trägt er als beklagte Partei im arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzverfahren die volle Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit wissentlich vorgetäuscht und damit die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschlichen hat (vgl. BAG, Urteil vom 02.03.2006 – 2 AZR 53/05). Der Arbeitgeber darf dabei zur Aufklärung einen Detektiv einsetzen, wenn ein ganz konkreter Verdacht besteht. Die so erhobenen Erkenntnisse unterliegen dann keinem datenschutzrechtlichen Verwertungsverbot (vgl. dazu BAG, Urteil 29.06.2017 – 2 AZR 297/16).
bb) Abmahnerfordernis
Im Allgemeinen ist eine vorherige Abmahnung wegen eines vergleichbaren Fehlverhaltens Wirksamkeitsvoraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung. Das Abmahnerfordernis folgt unabhängig von § 314 Absatz 1 BGB bereits aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die weit verbreitete Annahme, dass vor einer verhaltensbedingten Kündigung dreimal abgemahnt werden muss, ist falsch, denn bei besonders schwerwiegenden Verstößen gegen die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag kann sogar ohne eine vorangegangene Abmahnung fristlos gekündigt werden. Nur bei weniger schwerwiegenden Pflichtverletzungen, etwa im Leistungsbereich, ist eine bestimmte Anzahl von Abmahnungen erforderlich.
cc) Negative Fortführungsprognose
Eine negative Fortführungsprognose als Voraussetzung einer verhaltensbedingten Kündigung ist dann zu bejahen, wenn aus der konkreten Pflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, dass eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. Hat der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten trotz einer ordnungsgemäßen Abmahnung erneut verletzt, gehen die Arbeitsgerichte regelmäßig davon aus, dass es auch künftig zu weiteren gleichartigen Vertragsstörungen gekommen wäre.
dd) Fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
Auch bei verhaltensbedingten Kündigungen ist zu prüfen, ob es aus Arbeitgebersicht möglich und auch zumutbar ist, den Arbeitnehmer innerhalb des Betriebes auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen. Der Arbeitgeber muss sich auf diese Möglichkeit nur dann verweisen zu lassen, wenn davon auszugehen ist, dass sich das dem Arbeitnehmer angelastete Fehlverhalten am neuen Arbeitsplatz nicht wiederholen wird.
ee) Interessenabwägung
Sind alle bisher genannten Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung erfüllt, ist letztendlich noch eine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist dabei gegen das Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abzuwägen. Je nachdem, welches Interesse überwiegt, ist die Kündigung entweder wirksam oder unwirksam. Zugunsten des Arbeitnehmers sind insbesondere folgenden Gesichtspunkte zu berücksichtigen: geringer Grad des Verschuldens, Mitveranlassung des Arbeitgebers, Dauer der Betriebszugehörigkeit und des ungestörten Verlaufs des Arbeitsverhältnisses, Lebensalter, Umfang der Unterhaltspflichten, Chancen auf dem Arbeitsmarkt, soziale Schutzbedürftigkeit infolge Krankheit oder Schwerbehinderung.
c) Betriebsbedingte Kündigung
Die meisten Experten gehen davon aus, dass die Corona-Pandemie die Weltwirtschaft stark beeinträchtigen wird. Eine Rezession scheint unvermeidbar. Infolgedessen ist leider damit zu rechnen, dass die Corona-Krise hierzulande eine Welle betriebsbedingter Kündigungen nach sich ziehen wird. Bereits jetzt sind auf dem Arbeitsmarkt die Folgen sehr deutlich zu spüren. Geschäfte und Restaurants, die keinen Umsatz mehr machen, können auch ihre Mitarbeiter nicht mehr bezahlen. Kündigungen sind die traurige Konsequenz.
Nachfolgend soll ein Überblick über die Voraussetzungen von betriebsbedingten Kündigungen gegeben werden:
aa) Unternehmerische Entscheidung
Auch wenn in § 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG das Kriterium der unternehmerischen Entscheidung nicht als Tatbestandsmerkmal erwähnt wird, entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BAG, dass der betriebsbedingten Kündigung eine Unternehmerentscheidung vorgelagert sein muss. Als eine unternehmerische Entscheidung in diesem Sinne anzusehen ist zum Beispiel die Stilllegung des gesamten Betriebes oder einer Betriebsabteilung, die Umgestaltung der betrieblichen Organisationsstrukturen, die Verkleinerung der Produktpalette, die Einführung neuer Produktionsmethoden, Outsourcing, Rationalisierungsmaßnahmen etc.
Ob eine unternehmerische Entscheidung gefällt wurde, ist gerichtlich voll nachzuprüfen. Die unternehmerische Entscheidung selbst wird aber nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit hin überprüft, sondern ist als bestehend hinzunehmen. Das Arbeitsgericht hat nur im Rahmen einer Missbrauchskontrolle zu fragen, ob die Unternehmerentscheidung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.
Besonderheiten gelten bei der Kündigung zum Zwecke der Leistungsverdichtung. Von einer Leistungsverdichtung spricht man, wenn die bisher von einer bestimmten Arbeitnehmeranzahl erledigte Arbeitsmenge künftig geringeren Zahl von Arbeitnehmern erledigt werden soll. Nach der Rechtsprechung (vgl. BAG, Urteil vom 24.05.2012 – 2 AZR 124/11) muss der Arbeitgeber konkret erläutern, in welchem Umfang und auf Grund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Weiterhin muss er im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten von dem verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können. Die Konsequenzen dieser Rechtsprechung werden an folgendem Beispiel deutlich: Entschließt sich der Inhaber eines mittelständischen Metallverarbeitungsbetriebes während der Corona-Krise dazu, aufgrund eines erlittenen Auftragsrückgangs (30 %) von zehn Werkzeugmachern insgesamt drei Mitarbeiter zu entlassen, so ist er nicht lediglich zu einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl verpflichtet, sondern er muss auch darlegen, dass die geplante Umverteilung von Arbeitsaufgaben nicht zu einer überobligatorischen Beanspruchung der in dem Betrieb verbleibenden Arbeitnehmer führt, etwa weil ausreichende Freiräume für die Übernahme zusätzlicher Aufgaben vorhanden sind. Dazu muss bisweilen minutiös dargelegt werden, welche Einzeltätigkeiten die fraglichen Mitarbeiter künftig mit welchen Zeitanteilen täglich zu verrichten haben. Ansonsten verliert der Arbeitgeber das Kündigungsschutzverfahren und ist zur Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers verpflichtet. Daran wird deutlich, dass der Rückgang von Aufträgen und Produktionszahlen inmitten einer durch das Coronavirus ausgelösten Wirtschaftskrise nicht ohne Weiteres zum Anlass für eine betriebsbedingte Kündigung genommen werden kann. Auch in Zeiten der COVID-19-Pandemie ist nicht damit zu rechnen, dass die Arbeitsgerichte von der dargestellten Rechtsprechung abweichen und die Voraussetzungen für betriebsbedingte Kündigungen situationsbedingt lockern. Während der globalen Finanzkrise 2008/2009 sah sich die Arbeitsgerichtsbarkeit auch nicht veranlasst, die Darlegungs- und Beweislastregeln zugunsten der Arbeitgeber zu modifizieren.
bb) Wegfall des Arbeitsplatzes
Die soziale Rechtfertigung der betriebsbedingten Kündigung setzt einen dauerhaften Wegfall des Arbeitsplatzes voraus.
Dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Absatz 2 KSchG fehlen, wenn außer- oder innerbetriebliche Umstände nicht zu einer dauerhaften Reduzierung des betrieblichen Arbeitskräftebedarfs führen. Ein nur vorübergehender Auftragsmangel während der Corona-Krise rechtfertigt demzufolge keine betriebsbedingte Beendigungskündigung. Wird im Betrieb Kurzarbeit geleistet, spricht dies gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf (BAG, Urteil vom 23.02.2012 − 2 AZR 548/10). Entfällt hingegen der Beschäftigungsbedarf für einzelne von der Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer infolge weiterer, später eingetretener Umstände dauerhaft, kann ausnahmsweise trotz der Kurzarbeit ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung vorliegen. Dies setzt allerdings voraus, dass der Arbeitgeber die Möglichkeiten zur Reduzierung der geschuldeten Arbeitszeit, die ihm die Regelungen zur Kurzarbeit bieten, in vollem Umfang ausgeschöpft hat.
Dementsprechend ist eine vorübergehende Betriebsschließung kein hinreichender Grund für betriebsbedingte Kündigungen. Soweit im Zuge der aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 viele Einzelhandelsbetriebe und Unternehmen mit Publikumsverkehr im Wege behördlicher Anordnungen geschlossen wurden, ist deshalb im Zweifel nicht von einem dringenden betrieblichen Erfordernis auszugehen, da die Betriebe nur temporär geschlossen werden müssen. Hinzu kommt, dass viele Betriebe in der Lage sein dürften, die mit den behördlichen Anordnungen verbundenen Schäden zumindest teilweise zu kompensieren, z.B. durch Betriebsunterbrechungs- und Betriebsschließungsversicherungen. Ferner bestehen für Selbständige, deren Betriebe aufgrund behördlicher Maßnahmen gemäß § 56 Absatz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ruhen, neben Verdienstausfallansprüchen auch Ersatzansprüche für die ungedeckten Betriebskosten. Hat das Gesundheitsamt wegen einer erhöhten Ansteckungsgefahr mit dem Virus SARS-CoV-2 eine Betriebsschließung angeordnet, ist der Arbeitgeber zwar längstens für die Dauer von sechs Wochen zur Weiterzahlung der Vergütung verpflichtet, jedoch werden die ausgezahlten Beträge dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet. Die diesbezüglichen Anträge sind innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Einstellung der Betriebstätigkeit zu stellen. Lediglich vorübergehende Betriebsschließungen sollten überdies in vielen Fällen abgefedert werden können, weil auf Bundes- und Landesebene verschiedene Hilfspakete für Unternehmen geschnürt wurden, die aufgrund der Corona- bzw. COVID-19-Krise in Not geraten sind.
cc) Vermeidbarkeit der Kündigung
Die von § 1 Absatz 2 KSchG verlangte Dringlichkeit der Kündigung ist nur dann gegeben, wenn sie wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar ist. Insoweit haben die Arbeitsgerichte zu prüfen, ob es der Arbeitgeber versäumt hat, vor Ausspruch der Kündigung andere geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Personalabbau zu vermeiden. Nach der Jurisdiktion des BAG darf ein Arbeitgeber betriebsbedingte Kündigungen nämlich erst dann aussprechen, wenn er zuvor erfolglos den ernsthaften Versuch unternommen hat, durch andere zumutbare technische, organisatorische oder wirtschaftliche Maßnahmen die drohenden Entlassungen zu verhindern. Diese Rechtsprechung wird von Arbeitgebern auch während der Corona-Krise zwingend zu beachten sein.
Der Abbau von Überstunden kann ein probates Mittel zur Vermeidung von betriebsbedingten Kündigungen darstellen. Werden in einer Betriebsabteilung trotz der gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise beständig Überstunden geleistet oder sogar betriebsfremde Leiharbeitnehmer eingesetzt, um die weiterhin anfallenden Aufträge erledigen zu können, so kann sich der Arbeitgeber unmöglich auf ein dringendes Bedürfnis der Kündigung berufen.
Als milderes Mittel zur Kündigung wird zum Teil auch die Arbeitsstreckung („slowdown“ oder „go-slow“) sowie eine vorübergehende Produktion „auf Halde“ in Betracht gezogen. Unter der Arbeitsstreckung versteht man die Möglichkeit, im Falle eines episodischen Arbeitsmangels die Arbeitsmenge pro Arbeitnehmer und Zeiteinheit herabzusetzen. Ist im Kündigungszeitpunkt bereits vorherzusagen, dass die Arbeitsmenge kurz- oder mittelfristig wieder auf das normale Maß ansteigen wird, so kann es dem Arbeitgeber im Einzelfall zuzumuten sein, die vorhandene Arbeitsmenge auf eine größere Zahl von Arbeitnehmern zu verteilen als dies vorübergehend betrieblich notwendig ist. Allerdings muss ein Wiederanstieg der Arbeitsmenge tatsächlich konkret abzusehen sein. Hat beispielsweise ein Unternehmer weniger Arbeit, weil infolge des zwischenzeitlichen Shutdowns in China die globalen Lieferketten unterbrochen wurden, so wird ihm eine gewisse Arbeitsstreckung zuzumuten sein, da sich in vielen Produktionsbereichen bereits ein Ende der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Lieferschwierigkeiten abzeichnet. Verschiedene Medien berichten, dass Chinas Wirtschaft nach quälenden Wochen der Coronavirus-Krise wieder zurück auf die Überholspur gefunden hat.
Als mildere Maßnahme zur Vermeidung von Kündigungen wird gerade in der Corona-Krise die Einführung von Kurzarbeit in Frage kommen. Millionen deutscher Arbeitnehmer wurden im Zuge der aktuellen COVID-19-Pandemie bereits in die Kurzarbeit geschickt. Um Facharbeiter zu halten und sich gleichzeitig von den hohen Personalkosten zu entlasten, melden immer mehr Unternehmen Kurzarbeit bei der Agentur für Arbeit an. Wird in einem Betrieb Kurzarbeit geleistet, spricht dies zunächst gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf. Andererseits werden durch die Einführung von Kurzarbeit betriebsbedingte Kündigung nicht kategorisch ausgeschlossen. Entfällt der Beschäftigungsbedarf für einzelne von der Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer aufgrund weiterer, nachträglich eingetretener Umstände dauerhaft, so kann ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung gegeben sein, wenn der Arbeitgeber sämtliche Möglichkeiten zur Reduzierung der geschuldeten Arbeitszeit, die ihm die gesetzlichen Regelungen zur Kurzarbeit bieten, in vollem Umfang ausgeschöpft hat (vgl. BAG, Urteil vom 23.02.2012 − 2 AZR 548/10, in: NZA 2012, 852). Beschäftigte, die infolge der Corona-Wirtschaftskrise Kurzarbeit leisten, können sich demzufolge nicht darauf verlassen, dass während der Kurzarbeitsperiode keine betriebsbedingten Kündigungen erklärt werden (so schon BAG, Urteil vom 17.10.1980 – 7 AZR 675/78).
dd) Fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
Eine ordentliche Beendigungskündigung ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stets ausgeschlossen, wenn die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz gegebenenfalls auch zu geänderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen (BAG, Urteil vom 05.06.2008 – 2 AZR 107/07).
Als „frei“ ist ein Arbeitsplatz jedenfalls dann anzusehen, wenn der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung schon mit ausreichender Gewissheit vorhersehen kann, dass ein geeigneter Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Verfügung stehen wird.
Als nicht besetzt gelten auch Arbeitsplätze, auf denen Leiharbeitnehmer eingesetzt sind, d.h. zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung eines Stammarbeitnehmers ist zunächst einmal der Einsatz des Leiharbeitnehmers zu beenden, soweit dieser auf einem Arbeitsplatz beschäftigt wird, welcher für die Stammarbeitskraft geeignet ist (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 03.03.2009 – 12 Sa 2468/08).
Die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit muss individuell geeignet sein, d.h. der Arbeitnehmer muss unter Berücksichtigung einer angemessener Einarbeitungszeit den Anforderungen des neuen Arbeitsplatzes entsprechen. Eine erhebliche Einarbeitungszeit ist der Arbeitgeberseite nicht zuzumuten (LAG Hamm, Urteil vom 05.06.2009 – 19 Sa 358/09).
Bei der Prüfung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten gehen die Arbeitsgerichte von einem Unternehmensbezug und nicht von einem Konzernbezug aus (BAG, Urteil vom 24.05.2012 – 2 AZR 62/11, in: NZA 2013, 277). Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten außerhalb des eigenen Unternehmens sind nur dann bedeutsam, wenn der Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich die Möglichkeit hat, gegenüber dem Drittunternehmen die Weiterbeschäftigung durchzusetzen oder er sich dazu durch Selbstbindung verpflichtet hat. Die Entscheidung darf grundsätzlich nicht dem zur Übernahme bereiten Unternehmen vorbehalten worden sein (BAG, Urteil vom 23.03.2006 – 2 AZR 162/05 = BeckRS 2006, 44102).
Eine betriebsbedingte Kündigung ist auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung zu geänderten Vertragsbedingungen als deutlich milderes Mittel nicht geprüft und aus diesem Grunde anstelle der Beendigungskündigung keine Änderungskündigung ausgesprochen hat. Bereits aus dem Rechtsprinzip folgt, dass die Änderungskündigung Vorrang vor der Beendigungskündigung hat (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. etwa Urteil vom 27.09.1984 – 2 AZR 62/93). Nach der gesetzlichen Definition in § 2 Satz 1 KSchG handelt es sich bei einer Änderungskündigung um eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses, die gleichzeitig mit dem Angebot verbunden wird, das Arbeitsverhältnis unter abgeänderten – in der Regel schlechteren – Bedingungen fortzusetzen.
Da eine solche Änderungskündigung als milderes Mittel vom Arbeitgeber stets zu bevorzugen ist, muss vor dem Ausspruch der Beendigungskündigung gewissenhaft geprüft werden, ob nicht eine Weiterbeschäftigung auch zu geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist. Verfügt der Arbeitgeber über einen solchen (freien) Arbeitsplatz, so besteht die Verpflichtung, diese konkrete Weiterbeschäftigungsmöglichkeit dem Arbeitnehmer dazulegen und anzubieten.
Diejenigen Arbeitgeber, die versuchen sollten, während der Corona-Krise mit der Hilfe von Änderungskündigungen die vertraglich vereinbarten Arbeitsentgelte zu reduzieren, werden es im Falle von gerichtlichen Auseinandersetzungen übrigens sehr schwer haben. Nach Ansicht des BAG ist eine Änderungskündigung zur Durchsetzung von Lohnsenkungen nämlich nur dann zulässig, wenn bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen Personalstruktur zusätzliche, betrieblich nicht mehr zu verkraftende Verluste entstehen, die in absehbarer Zeit zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Betriebsschließung führen (BAG, Urteil vom 26.06.2008 – 2 AZR 139/07). Regelmäßig bedarf es eines umfassenden Sanierungsplans, der alle milderen Mittel ausschöpft. Im Prozess muss der Arbeitgeber die Finanzlage des Betriebs, den Anteil der Personalkosten, die Auswirkung der erstrebten Kostensenkung für den Betrieb und für die Arbeitnehmer darstellen und außerdem erläutern, warum andere Maßnahmen nicht in Betracht zu ziehen waren. Diese Voraussetzungen sind nur sehr schwer zu erfüllen.
Nötig ist eine „insolvenznahe“ Situation. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige des Fachbereiches Betriebswirtschaft sollten in einem Gutachten das Sanierungskonzept näher erläutern sowie die alternativlose Erforderlichkeit einer Senkung der Personalkosten schlüssig nachweisen. Ansonsten kann der Arbeitgeber auch in Zeiten der Corona-Wirtschaftskrise im Arbeitsgerichtsprozess seiner Darlegungslast kaum genügen.
ee) Sozialauswahl
Gemäß § 1 Absatz 3 KSchG ist eine betriebsbedingte Kündigung auch dann sozialwidrig und damit unwirksam, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Die Sozialauswahl soll sicherstellen, dass sozial schwächere Arbeitnehmer nur dann entlassen werden, wenn nicht an ihrer Stelle die Entlassung sozial stärkerer Arbeitnehmer möglich und zumutbar ist. Damit dieses Ziel erreicht wird, hat der Arbeitgeber bei seiner Auswahlentscheidung die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten sowie die etwa vorhandene Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zu beachten.
Wenn also ein Arbeitgeber meint, aufgrund der aktuellen Corona-Wirtschaftskrise innerhalb einer Vergleichsgruppe (z.B. alle Betriebsschlosser des Unternehmens) eine bestimmte Anzahl von Mitarbeitern kündigen zu müssen, so hat er auf jeden Fall eine korrekte Sozialauswahl vorzunehmen. Auch die weltweite Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 und die damit einhergehende Angst vor einer globalen Rezession entbindet den Firmenchef nicht von seiner Pflicht, diejenigen Mitarbeiter zu kündigen, die von einer Entlassung unter sozialen Aspekten am wenigstens hart betroffen sind. Dies hört sich relativ einfach an. In der Praxis erweist sich die Durchführung einer Sozialauswahl gleichwohl als ein sehr komplexer Vorgang, welcher die unterschiedlichsten Fehlerquellen in sich birgt. Arbeitgebern unterlaufen dabei nicht selten gravierende Fauxpas, die im Einzelfall die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung zur Konsequenz haben können. Im Kündigungsschutzverfahren berufen sich Arbeitgeber dann zur Abwendung dieser Rechtsfolge häufig darauf, dass einzelne Arbeitnehmer nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen seien. Gemäß § 1 Absatz 3 Satz 2 KSchG betrifft dies Arbeitnehmer, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer überdurchschnittlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt (sog. „Leistungsträger“). Eine genaue Kontrolle des vom Arbeitgeber vorgetragenen Sachverhaltes führt aber nicht selten zu dem Ergebnis, dass es sich bei den verschont gebliebenen Arbeitnehmern in Wirklichkeit nicht um Leistungsträger handelt, sondern um die „Lieblinge“ des Geschäftsführers, die unbedingt im Betrieb verbleiben sollen. Lässt sich dies Kündigungsschutzprozess nachvollziehbar darlegen, führt dies in aller Regel dazu, dass das Arbeitsgericht feststellt, dass das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbesteht.
In der durch die Ausbreitung der Lungenkrankheit COVID-19 verursachten Weltwirtschaftskrise werden viele Arbeitgeber versuchen, sich ganz erhebliche Erleichterungen zu verschaffen, indem sie sich mit dem Betriebsrat auf einen Interessenausgleich verständigen, in welchem die zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich bezeichnet sind (sog. Namensliste). In diesem Fall wird nicht nur gemäß § 1 Absatz 5 Satz 1 KSchG vermutet, dass die einzelnen Kündigungen durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sind. Auch hinsichtlich der Sozialauswahl ergeben sich Vorteile, da diese bei Vorliegen einer Namensliste nur noch auf grobe Fehler überprüft werden kann (§ 1 Absatz 5 Satz 2 KSchG).
Für betroffene Arbeitnehmer gibt es dennoch keinen Grund, das bloße Vorhandensein einer Namensliste zum Anlass zu nehmen, sich schon voreilig geschlagen zu geben. Es bestehen gute Aussichten, im arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzverfahren trotzdem zu obsiegen oder zumindest eine zufriedenstellende Abfindung zu erkämpfen, wenn die nötigen Formalien bei Erstellung des Interessenausgleichs nicht eingehalten wurden. Außerdem zeigt die Praxis, dass Arbeitgebern bei der Sozialauswahl – häufiger als angenommen – schwerwiegende Fehler unterlaufen, etwa im Rahmen der Bildung von altersbezogenen (BAG, Urteil vom 26.03.2015 – 2 AZR 478/139) oder abteilungsbezogenen Vergleichsgruppen (LAG Niedersachsen, Urteil vom 17.01.2008 – 7 Sa 730/06). Solche Fehler treten vermehrt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auf, weil Arbeitgeber dann oft in hektischen Aktionismus verfallen. Die gegenwärtige Corona-Krise wird insoweit keine Ausnahme bilden, weil die SARS-CoV-2-Pandemie manche Unternehmer in Angst und Schrecken versetzt und damit für übereilte Entscheidungen sorgt.
ff) Interessenabwägung
Eine einzelfallbezogene Interessenabwägung spielt bei betriebsbedingten Kündigungen kaum noch eine Rolle, da sich eine solche Prüfung nach Auffassung des BAG allenfalls in seltenen Ausnahmefällen zu Gunsten des Arbeitnehmers auswirken kann (BAG, Urteil vom 16.06.2005 – 6 AZR 476/04). Die für die Annahme eines „Härtefalls“ erforderlichen Voraussetzungen sind derart selten erfüllt, dass in der gerichtlichen Praxis kaum mehr Raum für eine praktische Anwendung besteht (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 1 KSchG, Randnummern 82 f.).
d) Kündigungsschutzklage
Wegen der Corona-Wirtschaftskrise befürchten viele Arbeitsgerichte eine regelrechte Flut von Kündigungsschutzverfahren. Mit einer Kündigungsschutzklage begehrt der Arbeitnehmer die arbeitsgerichtliche Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die streitgegenständliche Kündigung nicht aufgelöst ist. Wird die Klage nicht innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist erhoben, gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam. Die Kündigungsschutzklage ist damit das Mittel ersten Wahl, um sich gegen eine Kündigung zu wehren.
Generell gilt, dass die Erhebung einer Kündigungsschutzklage nicht nur dann Sinn macht, wenn der Erhalt des Arbeitsplatzes angestrebt wird. Arbeitnehmer, die sich eine Fortsetzung des durch den Ausspruch der Kündigung nachhaltig gestörten Arbeitsverhältnisses nicht dauerhaft vorstellen können, sind im Zweifel ebenfalls gut beraten, mit fachanwaltlicher Hilfe eine Kündigungsschutzklage zu erheben, da sich auf diesem Wege meistens eine lohnenswerte Abfindung erzielen lässt.
Was die Höhe einer Abfindung betrifft, dient die sog. „Halbregelung“ als Orientierungshilfe. Angemessen ist hiernach als Entlassungsentschädigung ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr (Beispiel: 3.500,00 € brutto/Monat ÷ 2 x 10 Jahre Betriebszugehörigkeit = 17.500,00 € Abfindung). Eine Abfindung kann allerdings je nach Verhandlungssituation und -geschick auf bedeutend höher ausfallen. Je größer die Aussichten des Arbeitnehmers sind, das Kündigungsschutzverfahren zu gewinnen, desto eher wird der Arbeitgeber bereit sein, noch etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Im Fall ihres Unterliegens sind Arbeitgeber nämlich in aller Regel verpflichtet, die Arbeitsvergütung für die Zeit ab dem Ende der Kündigungsfrist nachzahlen. Nachzuzahlen sind nicht nur die Nettolöhne, sondern auch alle Lohnnebenkosten, also insbesondere die Arbeitsgeberbeiträge zur Sozialversicherung.
Je nachdem wie lang der Nachzahlungszeitraum ist, kann auf den Arbeitgeber dadurch eine erhebliche finanzielle Belastung zukommen. Ein nach mehreren Jahren in der zweiten oder dritten Instanz verlorenes Kündigungsschutzverfahren kann wegen der damit zwangsläufig verbundenen Annahmeverzugslohnzahlungen die Existenz des Betriebes und damit sogar alle Arbeitsplätze gefährden. Um diese Gefahr endgültig aus der Welt zu schaffen, sind besonnene Arbeitgeber oft schon im Gütetermin bereit, dem klagenden Arbeitnehmer eine erträgliche Abfindungszahlung anzubieten.
e) Verfahrensablauf
Direkt nach Erhebung der Kündigungsschutzklage bestätigt das angerufene Arbeitsgericht den Eingang der Klageschrift und übersendet den Prozessbeteiligten eine Ladung zum Gütetermin. Da ein Kündigungsschutzverfahren vorrangig zu erledigen ist, soll die Güteverhandlung im Normalfall innerhalb von zwei Wochen nach Klageerhebung stattfinden, § 61a ArbGG. Im Hinblick auf die Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 ist aktuell mit einer so zeitnahen Terminierung nicht zu rechnen. Viele Arbeitsgerichte haben anlässlich der COVID-19-Pandemie ihren Sitzungsdienst ganz erheblich eingeschränkt. Über die Ansetzung und Verschiebung von Verhandlungsterminen sowie die Aussetzung oder Unterbrechung von laufenden Verfahren entscheiden die Gerichte in richterlicher Unabhängigkeit nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Es ist zu erwarten, dass das Coronavirus die deutsche Justiz nicht dauerhaft lähmt und schon bald wieder Gerichtsverhandlungen stattfinden, gegebenenfalls unter Beachtung sitzungspolizeiliche Anordnungen zum Zwecke des Infektionsschutzes.
In der Güteverhandlung ist das Arbeitsgericht nach § 54 Absatz 1 ArbGG verpflichtet, auf eine möglichst einvernehmliche Einigung zwischen den Parteien hinzuwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, hat der vorsitzende Richter den Sachverhalt mit den Prozessparteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern. Zunächst erhält der Arbeitgeber die Gelegenheit, die sich oftmals aus dem Kündigungsschreiben nicht ergebenden Kündigungsgründe näher zu erläutern. Anschließend darf der Arbeitnehmer oder dessen Rechtsanwalt hierauf erwidern. Die Erörterungen in der Güteverhandlung werden regelmäßig durch einen ausgewogenen Vergleichsvorschlag des Gerichts beendet. Auch wenn manche Arbeitsrichter dabei zuweilen „sanften Druck“ auf die Prozessparteien ausüben, ist niemand verpflichtet, einen aus seiner Sicht nicht interessengerechten Prozessvergleich zu akzeptieren.
Kommt es in der Güteverhandlung zu keiner Einigung, wird ein Kammertermin anberaumt, der dann je nach Geschäftslage des Gerichts einige Monate später stattfindet. Die Kammer des Arbeitsgerichts besteht aus dem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern, die im Falle eines Urteils gleichberechtigt mitentscheiden. Zur Vorbereitung auf den Kammertermin haben beide Parteien umfangreiche Schriftsätze zu verfassen und geeignete Beweismittel zu benennen. Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, die von ihm behaupteten Kündigungsgründe überzeugend darzulegen, muss er damit rechnen, dass das Arbeitsgericht im Kammertermin die Zahlung einer besonders hohen Abfindung vorschlägt oder am Schluss der Sitzung den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses feststellt. Dies geschieht durch die Verkündung eines Urteils, durch welches das erstinstanzliche Verfahren abgeschlossen wird. Die unterlegene Partei kann gegen das Urteil des Arbeitsgerichts innerhalb eines Monats Berufung beim zuständigen Landesarbeitsgericht (LAG) einlegen und auf diese Weise eine Überprüfung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung erzwingen. Soweit im Einzelfall die Revision zulässig ist, muss sich in letzter Instanz das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der Sache befassen.
3. Sonderkündigungsschutz
Eine ganze Reihe von Personen genießt Sonderkündigungsschutz. Dies hat zur Folge, dass eine arbeitgeberseitige Kündigung entweder kategorisch unzulässig oder aber von der vorherigen Zustimmung gewisser Stellen (Integrationsamt, Bezirksregierung etc.) abhängig ist. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang Betriebsratsmitglieder, Wahlvorstände und Wahlbewerber bei Betriebsratswahlen, Personalratsmitglieder sowie Wahlvorstände und Wahlbewerber hierzu, Mitglieder von Jugend- und Auszubildendenvertretungen, Schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Personen, Schwerbehindertenvertreter, betriebliche Datenschutzbeauftragte und Immissionsschutzbeauftragte, Schwangere und Mütter bis zu vier Monate nach der Entbindung, Personen in der Elternzeit oder Pflegezeit, Wehr- und Zivildienstleistende sowie Inhaber politischer Ämter.
Gerade in einer weltwirtschaftlichen Krisensituation, wie sie gegenwärtig durch die COVID-19-Pandemie ausgelöst worden ist, übersehen Arbeitsgeber schnell einmal, dass der eine oder andere zu kündigende Arbeitnehmer Sonderkündigungsschutz genießt. Erhalten Betroffene eine Kündigung, ohne dass zuvor ein gesetzlich vorgeschriebenes Zustimmungsverfahren durchlaufen wurde, so ist auf jeden Fall die Erhebung einer Kündigungsschutzklage dringend zu empfehlen. Ansonsten gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam, denn die Fiktion des § 7 KSchG gilt auch bei einem Verstoß gegen Sonderkündigungsschutzgesetze.
4. Kündigungsschutz in Kleinbetrieben
Wenn der Arbeitgeber regelmäßig zehn oder weniger Mitarbeiter beschäftigt, liegt nur ein sog. Kleinbetrieb vor. Dies führt zur Unanwendbarkeit der Vorschriften des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Das bedeutet allerdings nicht, dass die Chefs in einem Kleinbetrieb ihre Mitarbeiter wahllos entlassen dürfen. Nach der Rechtsprechung ist auch im Kleinbetrieb ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme zu wahren. Hergeleitet wird dies aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und dem verfassungsrechtlichen Schutz des Arbeitsplatzes (Artikel 12 GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip.
Bei betriebsbedingten Kündigungen resultiert daraus die die Pflicht des Arbeitgebers, auch in einem Kleinbetrieb eine „Sozialauswahl in abgeschwächter Form“ durchzuführen (BAG, Urteil vom 21.02.2002 – 2 AZR 15/00; LAG Köln, Urteil vom 28.05.2003 – 3 Sa 723/02). Geschieht dies nicht, haben betroffene Arbeitnehmer auch in Zeiten der Corona-Krise reelle Chancen, mit arbeitsgerichtlicher Hilfe den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses feststellen zu lassen. Im Kleinbetrieb ist zudem zu beachten, dass Kündigungen unmittelbar an dem Maßstab des Benachteiligungsverbots des § 7 Absatz 1 AGG zu messen sind. Eine altersdiskriminierende Kündigung im Kleinbetrieb – etwa wegen der nahen „Pensionsberechtigung“ eines älteren Arbeitnehmers – kann sich daher als unwirksam erweisen, selbst wenn die Grundsätze der sozialen Auswahl gewahrt sein sollten (BAG, Urteil vom 23.07.2015 – 6 AZR 457/14).
Bei krankheitsbedingten Kündigungen hat das angerufene Arbeitsgericht zu prüfen, ob sich das auf krankheitsbedingte Fehlzeiten gestützte Kündigungsmotiv auch angesichts der Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers als einleuchtend erweist (vgl. dazu LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.06.2007 – 4 Sa 14/07). Hiernach kann langjährig beschäftigten Mitarbeitern im Zweifel nicht gekündigt werden, wenn sie auf Nachfrage Angaben zu einem möglichen Zeitpunkt der Wiedergenesung gemacht haben und die befristete Einstellung einer Ersatzkraft aufgrund der Lage auf dem Arbeitsmarkt möglich ist.
5. Aufhebungs- und Abwicklungsverträge
Mit der mündlichen Zusicherung, nach dem allseits erhofften Abflauen der Corona-Krise das entlassene Personal sofort wiedereinzustellen, drängen momentan zahlreiche Arbeitgeber auf den Abschluss von Aufhebungsverträgen. Unabhängig von der Frage, ob es im Anschluss an die COVID-19-Pandemie wirklich zu den versprochenen Einstellungen kommt, ist bei solchen Arbeitgeberangeboten äußerste Vorsicht geboten, und zwar auch dann, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Abfindungszahlungen „schmackhaft“ gemacht wird.
Ein Aufhebungsvertrag – der Gesetzgeber spricht auch vom Auflösungsvertrag (§ 623 BGB) – beendet das Arbeitsverhältnis einvernehmlich. Der Abschluss eines solchen Vertrages wird grundsätzlich als verschuldete Arbeitsaufgabe bewertet. Dies zieht regelmäßig eine Sperrzeit von zwölf Wochen beim Arbeitslosengeldbezug nach sich (§ 159 Absatz 1 Nr. 1 SGB III). Wurde das Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet, kommt noch erschwerend hinzu, dass der Arbeitslosengeldanspruch gemäß § 158 Absatz 1 SGB III von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage ruht, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte.
Die Anordnung einer Sperrzeit unterbleibt nur dann, wenn dem Arbeitnehmer der Nachweis gelingt, dass er für die Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses einen wichtigen Grund hatte. Was als wichtiger Grund anzuerkennen ist, ergibt sich nicht aus dem Gesetzeswortlaut. Ein wichtiger Grund ist nach Auffassung des Bundessozialgerichtes (BSG) gegeben, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit denjenigen der Versichertengemeinschaft kein anderes Verhalten hätte zugemutet werden können. Einzelheiten hierzu ergeben sich aus den „fachlichen Weisungen“ der Bundesagentur für Arbeit, die im Internet veröffentlich werden. Ob die Furcht, sich am Arbeitsplatz mit dem die Lungenkrankheit COVID-19 auslösenden Virus SARS-CoV-2 anstecken zu können, als ein wichtiger Grund im Sinne des § 159 Absatz 1 SGB III anzusehen ist, wird die Agentur für Arbeit unter besonderer Berücksichtigung der konkreten Einzelfallumstände zu entscheiden haben. Aller Voraussicht nach wird dafür am Arbeitsplatz die reale Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus bestehen müssen.
Von einem Abwicklungsvertrag spricht man, wenn die Parteien erst im Anschluss an eine arbeitgeberseitige Kündigung einen Vertrag schließen, der einvernehmlich die Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelt (BAG, Urteil vom 19.04.2007 – 2 AZR 208/06). Nach der Rechtsprechung des BSG wirkt der Arbeitnehmer durch den Abschluss eines solchen Abwicklungsvertrages im Zweifel aktiv an der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit (BSG, Urteil vom 18.12.2003 – B 11 AL 35/03 R). Auch dies wird prinzipiell mit einer Sperre beim Arbeitslosengeld sanktioniert. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes wird ausnahmsweise nur dann angenommen, wenn der Arbeitnehmer im Anschluss an den Ausspruch einer „objektiv rechtmäßigen“ (betriebsbedingten) Arbeitgeberkündigung einen Abwicklungsvertrag abschließt. Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zeigt indes, dass gerade betriebsbedingte Kündigungen oftmals nicht „objektiv rechtmäßig“ sind, weil dem Arbeitgeber hier viele Fehler unterlaufen können, z.B. bei der Sozialauswahl. Von daher sind außergerichtliche Einigungen mit dem Arbeitgeber in hohem Maße risikobehaftet. Ohne die Einholung anwaltlichen Rates sollte also auch während der Corona-Wirtschaftskrise kein Abwicklungsvertrag voreilig unterzeichnet werden.
6. Kosten
Es ist selbstverständlich mit Kosten verbunden, einen Rechtsanwalt mit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage zu beauftragen. Die Höhe der Rechtsanwaltskosten ist abhängig vom Bruttomonatsgehalt des Arbeitnehmers. Je höher der Verdienst ist, desto höher sind auch die anwaltlichen Kosten. Bei einem monatlichen Bruttoverdienst von 2.000,00 € belaufen sich die nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zu berechnenden Kosten auf etwas mehr als 1.000,00 €, wenn das erstinstanzliche Kündigungsschutzverfahren durch Urteil endet. Beim Abschluss eines Vergleiches fällt zusätzlich noch eine Einigungsgebühr an (rund 420,00 €). Die gerichtlichen Kosten sind ebenfalls streitwertabhängig und müssen von der unterlegenen Partei getragen werden. Im Falle eines Vergleichsabschlusses bleibt das arbeitsgerichtliche Verfahren gerichtskostenfrei.
Besteht eine eintrittspflichtige Rechtsschutzversicherung, werden von dieser die Kosten des Rechtsstreites – abgesehen von einer gegebenenfalls vereinbarten Selbstbeteiligung – in voller Höhe übernommen. Infolgedessen ist Arbeitnehmern der rechtzeitige Abschluss einer solchen Versicherung dringend zu empfehlen. Da meistens eine Wartefrist von drei Monaten einzuhalten ist, sollte der Abschluss des Rechtsschutzversicherungsvertrages nicht erst dann erfolgen, wenn die Kündigung unmittelbar bevorsteht.
Wenn ein Arbeitnehmer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außer Stande ist, die Kosten des Kündigungsschutzverfahrens ganz oder teilweise aufzubringen, kann beim Arbeitsgericht auch Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt werden. Im Falle der PKH-Bewilligung ist die Partei von der Zahlung von Gerichts- und Verfahrenskosten befreit. Zu den Verfahrenskosten zählen insbesondere die Gebühren des eigenen Rechtsanwaltes. Je nach Leistungsfähigkeit des Berechtigten wird die Prozesskostenhilfe mit oder ohne Ratenzahlung gewährt. Soweit Prozesskostenhilfe gemäß § 120 ZPO nur mit Ratenzahlungen bewilligt wird, liegt ein Justizdarlehen vor. Die festgesetzten Raten sind dann pünktlich zu zahlen. Allerdings sind höchstens 48 Monatsraten aufzubringen (§ 115 Absatz 2 Satz 4 ZPO). Ein eventuell noch offener Restbetrag wird anschließend erlassen.
7. Wahl des richtigen Rechtsanwalts
Sie sind im Zusammenhang mit der Corona-Krise (COVID-19-Pandemie) gekündigt worden? Oder steht eine solche Kündigung unmittelbar bevor? Dann sollten Sie sich zumindest kurz anwaltlich beraten lassen. Ist die Klagefrist (§ 4 Satz 1 KSchG) erst einmal abgelaufen, ist es hierzu in aller Regel zu spät. Diese Drei-Wochen-Frist beginnt mit dem Zugang der schriftlichen Kündigungserklärung zu laufen muss auch während der Corona-Wirtschaftskrise unbedingt gewahrt werden. Verspätete Klagen können nach § 5 KSchG nur zugelassen werden, wenn ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben. Ein Grund für eine solche nachträgliche Zulassung könnte in der aktuellen Situation beispielsweise dann vorliegen, wenn ein an der Lungenkrankheit COVID-19 erkrankter Arbeitnehmer aufgrund einer stationären Krankenhausbehandlung daran gehindert war, seine Rechte unter Einschaltung dritter Personen rechtzeitig wahrzunehmen. Kein Verschulden trifft den Arbeitnehmer, wenn ein während des Krankenhausaufenthalts mit der Entgegennahme der Post betrautes Familienmitglied eine zugegangene Kündigung erst verspätet aushändigt (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.02.2004 – 8 Ta 17/04).
Bei der Auswahl des Rechtsanwaltes sollte ein gekündigter Arbeitnehmer Wert darauf legen, dass sich ein ausgewiesener Spezialist um die Durchsetzung seiner Rechte bemüht, der über das nötige Wissen und Verhandlungsgeschick verfügt, denn entgegen einer anders lautenden Mutmaßung ist der Ausgang eines Rechtsstreits nicht reine Glückssache, sondern regelmäßig das Ergebnis juristischen Könnens und anwaltlicher Berufsverfahrung. Die Bearbeitung von Kündigungsschutzverfahren gehört nicht in die Hände unerfahrener Rechtsanwälte. Sie sollten sollte sich im Zweifel an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht wenden, der nachweislich schon eine Vielzahl von Kündigungsmandaten bearbeitet hat, denn auch hier gilt das altbekannte Sprichwort: „Übung macht den Meister.“ Außerdem sollte in der Person des Rechtsanwaltes sichergestellt sein, dass sich dieser stets auf dem neusten Stand der Rechtsprechung befindet, denn nichts ist so alt wie das Wissen von gestern.
Der Verfasser dieses Beitrages ist bereits seit dem 10.05.2005 Fachanwalt für Arbeitsrecht und hat sich auf die Abwehr von Kündigungen jedweder Art spezialisiert und vertritt – abgesehen von einigen wenigen ausgesuchten Arbeitgebern – nur Arbeitnehmer und Führungskräfte. Er ist bei sämtlichen Arbeitsgerichten, Landesarbeitsgerichten und beim Bundesarbeitsgericht zugelassen und vertritt seine Mandanten auch während der Corona-Krise bundesweit.
8. Mandatserteilung ohne Ansteckungsgefahr
Bekannt ist, dass sich das Coronavirus SARS-CoV-2 durch eine sog. Tröpfcheninfektion (etwa beim Husten und Sprechen) verbreitet. Nach Aussage des Robert Koch-Instituts (RKI) ist der COVID-19-Erreger „deutlich infektiöser als ursprünglich angenommen“. Eventuell kann sich das Coronavirus auch über das Verdauungssystem verbreiten. Auf jeden Fall ist höchste Vorsicht geboten, und zwar auch bei Ausübung der anwaltlichen Tätigkeit.
Um unsere Mandanten und Mitarbeiter optimal zu schützen, beachten wir selbstverständlich die behördlichen Verhaltensempfehlungen zum Schutz von einer Corona-Infektion (Verzicht auf das Händeschütteln, regelmäßige Desinfektion von Türgriffen, Stühlen und Tischflächen, Einhaltung eines Gesprächsabstandes von rund 2 Metern). Desinfektionsmittel und Einweg-Mundschutze werden in ausreichender Anzahl in der Kanzlei bereitgestellt. Alle fieberfreien Mandanten, die keine Erkältungssymptome aufweisen und sich innerhalb der letzten vierzehn Tage nicht in einem ausgewiesenen Risikogebiet aufgehalten haben, können nach vorheriger Terminvereinbarung gerne zu Besprechungen in unserer Kanzlei erscheinen, wenn sie bereit sind, die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zur Vermeidung einer weiteren Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 zu befolgen.
Wer sich als Ausscheider des COVID-19-Erregers bzw. als ansteckungsverdächtige Person in Quarantäne befindet, kann uns auch unter Verwendung von Ferntelekommunikationsmitteln (Telefon, E-Mail, Telefax, Videokonferenz etc.) beauftragen. Von dieser Möglichkeit können natürlich auch diejenigen Personen Gebrauch machen, die auf Nummer sicher gehen möchten und auf den persönlichen Besuch einer Rechtsanwaltskanzlei aufgrund der COVID-19-Pandemie vorerst lieber verzichten. Dank modernster Bürokommunikation (z.B. komplett elektronische Aktenführung) sind wir in der Lage, bundesweit Mandate „online“ zu übernehmen. Oft lässt sich die Beratung oder Vertretung sogar vollständig papierlos abwickeln. Probieren Sie es aus! Die erste Hürde haben Sie bereits genommen, indem Sie diesen Fachartikel im Internet gefunden haben. Geringe Computerkenntnisse reichen schon aus, um mit uns auf zeitgemäße Weise „online“ zu kommunizieren.
Vertrauen ist keine Frage eines Gesprächs von Angesicht zu Angesicht. Auch am Telefon kann der notwendige Austausch von Informationen erfolgen. Sie können mit dem Verfasser dieses Beitrages ein unverbindliches telefonisches Vorgespräch führen, bevor Sie sich endgültig zur Mandatserteilung entschließen. Der erforderliche Austausch von Unterlagen kann später per E-Mail/Telefax oder auf dem Postwege erfolgen.
Auch wenn es die allermeisten Virologen für äußerst unwahrscheinlich halten, dass sich das Coronavirus SARS-CoV-2 über Briefe oder Pakete übertragen lässt, sind wir auf Wunsch sehr gerne bereit, unseren Mandanten alle Dokumente (Schriftsätze, Ladungen, Beschlüsse und Urteile) standardmäßig per E-Mail zu übersenden, und zwar in Form von PDF-Dateien, die sich besonders platzsparend speichern lassen. Damit lässt sich ganz sicher ausschließen, dass im Rahmen der zu führenden Korrespondenz ein Kontakt mit dem COVID-19-Erreger stattfindet.